Engelstraum: Schatten der Ewigkeit: Roman (German Edition)
hatte. Ihr Blick fiel auf ihre Hände, die nach wie vor ins Laken gekrallt waren. »Ich mochte den Blutrausch, die Macht. Ich wollte aufhören, weil ich wusste, dass es falsch war, dass ich sie umbrachte. Und die Stimme in meinem Kopf drängte mich weiterzumachen. Aber entscheidend ist, dass ich das Blut mochte.«
Dafür schämte sie sich unendlich.
»Du bist ein Vampir.«
Ja, klar, das wusste sie selbst.
»Nicole«, seufzte er, »es liegt in deiner Natur, dass es dir gefällt.«
»Und weil Vampire Blut so gern mögen, töten sie.« Aus dem Grund musste sie ihr Verlangen zügeln. »Die Lehrerin, die ich war und die unter der Woche jeden Abend um zehn zu Hause war, sie hätte es nie getan.«
Seine Finger legten sich auf ihre. »Warum redest du, als wäre sie eine andere Person?«
Sie sah zu ihm auf. Begriff er es denn nicht? »Weil sie eine andere war. Sie war ein guter Mensch.« Jedenfalls hatte sie sich bemüht, einer zu sein. Für jedes Nachmittagsprogramm hatte sie sich freiwillig gemeldet, hatte Konserven für Obdachlose gespendet und brav ihren Müll getrennt. Ja, verdammt, jene Frau war ein guter Mensch gewesen.
Keine Mörderin.
Kein Monster, das nach Blut gierte, kämpfte und tötete. Und erst recht war ihr nie das Wasser im Mund zusammengelaufen, wenn sie vor einem Toten stand, weil sie mehr von seinem Blut wollte.
Kein Wunder, dass die Albträume nicht aufhörten. »Die Frau, die ich war, starb in einer dunklen Seitengasse«, sagte sie, ohne seinem Blick auszuweichen. Und da hatte sie schon kein Jahr mehr zu leben gehabt.
Seine Hand glitt über ihren Arm zu ihrer Brust und verharrte über ihrem Herzen. »Wenn sie tot ist, wieso fühle ich dann ihr Herz schlagen?«
»Ich bin nicht dieselbe. Nicht nach dem, was ich getan habe. Es sind nicht bloß die Morde. Mit Connor …« Sie kniff die Augen zu. »Ich bin nicht dieselbe.«
Die Wärme seiner Hand strömte in ihre Haut. »Du musstest dich verändern, um zu überleben.«
Sie sah ihn wieder an.
»Zuerst ist die Blutgier immer am stärksten.« Er setzte sich neben ihr auf. »Ich habe gesehen, wie sie manche um den Verstand brachte. Sie verloren die Kontrolle und stürzten sich auf jeden, der in ihre Nähe kam.«
Nicole erinnerte sich an den ersten, wahnsinnigen Hunger, an den Polizisten, den sie gebissen hatte, als er ihr zu Hilfe kam. »Ja.« Da hatte sie sich wahnsinnig gefühlt.
»Du hast den Polizisten nicht getötet.«
Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich hätte beinahe. Ich konnte einfach nicht aufhören.« So etwas wollte sie nicht noch einmal erleben. Der Hunger nach Blut hatte ihr Denken und ihren Körper vollkommen beherrscht.
»Du hast aufgehört.«
»Fast wäre es zu spät gewesen.« Sie wollte nicht, dass er etwas in ihr sah, was sie nicht war. »Ich hatte keine Kontrolle über mich, sonst hätte ich ihn gar nicht erst gebissen. Wäre ich bei Sinnen gewesen, hätte ich nicht auf die Stimme in meinem Kopf gehört. Ich hätte niemals gemordet.«
Sie musste weg von Keenan. Seine Nähe machte sie schwach, und sie war schon schwach genug. Nicole sprang aus dem Bett und zog das Laken mit sich. »Engel sind real«, schleuderte sie ihm entgegen und bemerkte, dass sein eines Lid zuckte.
»Äh, ja, sind wir.«
Dies war der Punkt, der ihr Angst machte. »Ich wusste es, habe es immer gewusst.« Schließlich war sie eine gute Katholikin gewesen, früher .
Er betrachtete sie fragend.
»Engel sind real«, wiederholte sie, »und Dämonen sind es auch. Was bedeutet, dass nach diesem Leben kein sonniges Paradies auf mich wartet.« So viel stand fest. Hätte Keenan ihre Seele in jener Nacht geholt, wäre es vielleicht noch möglich gewesen, aber jetzt?
Er widersprach ihr nicht.
Nein.
Sie verdrängte die Angst, die sie zu ersticken drohte. »Ich möchte eine Chance, es wiedergutzumachen.« Ihr war bewusst, wie wahnsinnig sie klang, aber wen wunderte das? »Ich will nicht, dass Az mich holt, bevor ich eine Chance hatte, etwas wiedergutzumachen.«
Keenan stieg aus dem Bett und sparte sich die Mühe, seine Blöße zu bedecken. »Du kannst die Toten nicht zurückbringen.«
Er musste es ja wissen.
Sein Wangenmuskel zuckte. »Und Az bringt dich nirgends hin.«
Nicole konnte nur den Kopf schütteln. »Warum nicht?«
Keenan blinzelte. »Weil du noch nicht bereit bist zu gehen.«
»Nein.« Nun schüttelte sie den Kopf so energisch, dass ihr Haar flog. »Was kümmert dich das? Wieso interessiert dich, was mit mir passiert?«
Wieder blinzelte er
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