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Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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in der die Pracht ihre Segel strich. Dann schwang er die Beine aus dem Bett und angelte mit nackten Füßen nach seinen Pantoffeln.
    Viertel nach sechs. Gleich würde der Wecker klingeln und das Tagwerk in der Pension einläuten. Normalerweise blieb er noch eine Stunde im Bett und überließ den Frauen die Frühschicht. Brötchen holen, Kaffee kochen, Wurst, Butter, Käse auf die gedeckten Tische. Weiberkram eben.
    Heute wollte er davon nichts hören.
    Heute zog es ihn an den Bodden. Zu seiner Aal-Bucht, in der man nachts ab und zu nach dem Rechten sehen musste. Besonders in Sommernächten, wenn, verborgen im hohen Gras, eine Frau wartet, die zaubern kann.

9
    Es klingelte.
    Pieplow hielt in der Bewegung inne, mit der er den Nassrasierer an die Problemzonen zwischen Unterlippe und Kinn heranführen wollte. Das eingeschäumte Gesicht starr vor den Spiegel gereckt, schielte er nach seiner Armbanduhr auf der Ablage.
    Neun Minuten nach sieben.
    Eindeutig zu früh für professionelle Klingler wie Briefträger oder Stromableser und nicht gerade eine Zeit, zu der man Besuch erwartete.
    Er wischte sich mit dem Handtuch flüchtig den Schaum aus dem Gesicht und ging so zur Tür, wie er war. Barfuß, in T-Shirt und Boxershorts, schwarze Boote auf weißem Grund. Um die Piratenschädel mit den gekreuzten Knochen auf den roten Segeln erkennen zu können, musste man schon sehr genau hinsehen.
    »Herr Professor!« Mit Professor Dahlke, seines Zeichens Chef der Gerichtsmedizin in Greifswald und die beeindruckendste Koryphäe, die Pieplow kannte, hatte er am allerwenigsten gerechnet.
    »Morgen, mein lieber Pieplow! Hoffentlich haben Sie noch nicht gefrühstückt!?« Die Brötchentüte knisterte, als der Professor sie vor Pieplows Nase hin- und herpendeln ließ. »Noch warm«, verkündete er stolz. »Ich war der Erste heute Morgen.« Wer früh um sieben die ersten Brötchen bekam, hatte mindestens schon eine Viertelstunde vor der Bäckereitür angestanden.
    »Was halten Sie von einem improvisierten Arbeitsessen zur Leichensache Sieveking?« Weil er mit dem Rücken zur Morgensonne stand, leuchtete sein weißer Haarkranz wie ein fusseliger Glorienschein.
    Pieplow wäre ein ruhigerer Start in den Tag lieber gewesen. Kaffee, eine Scheibe Brot. Gedanken sortieren. Über die Träume der vergangenen Nacht zum Beispiel, durch die wieder einmal das Zwillingsgespann von Selbstzweifel und Größenwahn gerast war. Oder nichts dergleichen und einfach nur einen Blick in die Ostsee-Zeitung werfen, die unter dem Arm des Professors klemmte.
    »Ich war so frei«, sagte Dahlke und händigte Pieplow beides aus, Brötchen und Zeitung. »Titelblatt und Seite drei. Man wundert sich doch immer wieder, was diese Pressefritzen so ausbuddeln. Oder wussten Sie, dass unsere werte Tote schon in ihrer Zeit als Krankenschwester durch eine, sagen wir mal metaphysisch orientierte Haltung aufgefallen ist?«
    Bei offener Haustür in T-Shirt und Unterhose und mit halb rasiertem Gesicht fiel Pieplow nicht ein, ob er davon schon gehört hatte.
    Er trat zur Seite und bat den frühen Gast herein.
    Beim Schlesinger-Fall vor nicht ganz einem Jahr waren sie sich zum ersten Mal begegnet. Der Professor, dem man nachsagte, in seinen Obduktionsberichten könne sogar stehen, was der Tote zuletzt gedacht habe, und der Dorfpolizist, dem er mehr zutraute als Pieplow sich selbst.
    »Nett«, kommentierte er Pieplows Wohnzimmer. »Eindeutig junggesellig.« Damit musste er den Hauch von Chaos meinen, in dem Pieplow sich wohlfühlte. Zeitungen, Bücher, ein Sweatshirt und das Uniformhemd von gestern gleichmäßig über Couchtisch und Sofa verteilt. Neben dem Sessel am Fenster eine leere Feierabendbierflasche.
    »Am besten, wir setzen uns draußen hin.« Pieplow öffnete die Tür zur Terrasse, auf der ein Tisch und zwei Stühle einen passablen Frühstücksplatz boten.
    »Wunderbar«, sagte der Professor und »Schwarz, mit Zucker«, als Pieplow ihn nach seinem Kaffeewunsch fragte.
    »Die roten Piratensegel waren aber auch nicht schlecht.« Dahlke hatte genau hingesehen und registrierte mit spöttischem Blick, dass Pieplow Uniformhose und kurzärmeliges Diensthemd trug, als er mit dem Frühstückstablett auf die Terrasse zurückkehrte.
    »Ab acht bin ich im Dienst«, erklärte Pieplow. Dass er skeptisch war, ob dem Professor eine halbe Stunde für sein improvisiertes Arbeitsessen reichte, behielt er für sich. Fürs Erste interessierte ihn vor allem, warum und wozu sich Dahlke die frühe Mühe

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