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Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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knarrte, als Clemens Meier sich mit einem Ruck aufsetzte. Er konnte nicht liegen bleiben. Er musste hoch. Raus. Sich bewegen. Einen anderen Film im Kopfkino einlegen, damit seine Nerven sich beruhigten.
    »Wo willst du hin?« Die Frage seiner Frau erwischte ihn, kurz bevor er sich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer schleichen konnte.
    »Ich lauf’ne Runde. Zum Frühstück bin wieder da«, brummte er und hoffte, die richtige Tonlage getroffen zu haben. Freundlich genug, damit sie nicht eingeschnappt war, und so abweisend, dass sie ihn allein losziehen ließ.
    Sie dachte gar nicht daran. »Warte, ich komme mit«, sagte sie und war so schnell aus dem Bett, als habe sie darauf gewartet, endlich aufstehen zu können.
    Sie könnten nach Norden gehen, schlug seine Frau vor. Nur ein kurzes Stück dieselbe Strecke wie gestern, aber dann nach Osten auf den Bessin und über die schmale Landzunge bis ans flache, warme Wasser der Lagune. Nach den schwarzen Schwänen Ausschau halten, die sie im vergangenen Jahr dort entdeckt hatten. Muscheln und Steine sammeln. Schöne Federn vielleicht. Oder, geschützt von dichtem Gebüsch, nachholen, was sie am Tag zuvor drüben auf der rauen, wilden Seite der Insel nicht gewagt hatten.
    Oder lieber nach Süden? Auf Kloster zu, bis sie zum Bodden hin abbiegen könnten. Über den polsterweichen Weg zwischen Ginster und Weißdorn am Schilfsaum entlang ans Schwedenhagener Ufer, wo der alte Schubboot-Anleger vor sich hin rostete, ohne den Blick über die Bucht bis nach Stralsund zu stören.
    Clemens Meier zuckte gleichgültig mit den Schultern. Ihm war vollkommen egal, wo sie langliefen.
    Ina Meier nahm ihrem Mann die Entscheidung ab. Am Gartentor wandte sie sich nach links, Richtung Kloster. Sie stapfte so zielstrebig voran wie die Junglehrerinnen, denen er daheim manchmal nachsah, wenn sie, knackig im Sportdress, die Kinder im Gänsemarsch hinter sich her, über den Schulhof auf die Turnhalle zusteuerten.
    Er folgte seiner Frau mit ein paar Schritten Abstand und ließ sich vom Anblick ihrer Kehrseite aufmuntern. Wozu stramme, braungebrannte Beine und ein fester Hintern nicht alles gut sein können, sinnierte er und genoss die ersten angenehmen Gedanken des Tages. Als sie kurz darauf von der Straße in den Boddenweg einbog, holte er sie ein und legte ihr den Arm um die Schulter.
    Es sah ganz danach aus, als könnte der Tag, alles in allem, noch ganz passabel werden.
    Sie redeten nicht viel. Ließen die Stille der menschenleeren Landschaft auf sich wirken, über der ein lautlos hohes Flugzeug – Von Tallinn nach Kopenhagen? Von Moskau nach Stockholm? – wattige Streifen in den blassblauen Himmel zog. Erst sahen sie dem Flieger nach und dann einander in die Augen. Lächelten sich an und wussten, es ist wieder da, das Gefühl, nirgendwo anders sein zu wollen als hier in der Mischung aus Nachtkühle und Tagwärme im Morgenwind, der das Schilf rascheln und die Schwäne auf kräuseligem Wasser wippen ließ.
    Es war Ina, die alles zunichtemachte. Ihre Neugier und der fußbreite Pfad in den Reetgürtel, den sie hinter dem Ginster-Weißdorn-Erlendickicht entdeckte.
    Mit einiger Skepsis sah Clemens Meier auf die Halmwogen, in denen seine Frau verschwand. Weiter vorn, dicht am Wasser, tanzten im Sonnenlicht Mückengeschwader, denen er lieber nicht näher kommen wollte. Er hatte nicht die geringste Lust, ihr zu folgen. Er tat es trotzdem und hatte Sekunden später das Gefühl, gegen eine Mauer zu laufen. Eine dicke schwarze, gummiartige Mauer aus fassungslosem Schrecken.
    Dass der Mann tot war, auf den Ina mit angstverzerrtem Gesicht starrte, wusste Clemens Meier sofort. Nur ein Toter blieb mit reglosem Blick und offenem Mund auf dem Rücken liegen, wenn zwei Leute ihm so nah auf die Pelle rückten, dass sie ihm fast auf die ausgestreckten Beine traten.
    Verdammt, dachte Clemens Meier. Verdammt und verdammt noch mal. Wie sollte man so was aushalten können? Und dann würgte es ihn, als wollte sich sein Innerstes nach außen stülpen. Dass er noch nicht gefrühstückt hatte, erleichterte die Sache ein wenig, auch wenn es darauf eigentlich schon nicht mehr ankam.

    »Ich will nur hoffen, dass der uns nicht verarscht.« Kästner war keineswegs davon überzeugt, dass es mit ihrem Einsatz seine Richtigkeit hatte. »Das gibt’s doch gar nicht – kein Mensch findet zweimal hintereinander eine Leiche! Innerhalb von vierundzwanzig Stunden!« Er fasste das Lenkrad fester und gab wieder Gas, nachdem er von der Straße

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