EngelsZorn - Im Blutrausch
sein fachchinesisch nicht verstand. Er hat mit seinen inkompetenten Äußerungen viel mehr Unheil angerichtet, als mir lieb war. Geschickter wäre gewesen, er hätte sich diskret zurückgehalten. Ich war damals nicht mehr als nur ein einsames, verschüchtertes Kind mit viel Phantasie und vielleicht manchmal sogar mit etwas wirren Gedankengängen und irrwitzigen Weltanschauungen, das geb‘ ich ja zu, aber das war auch schon alles. Was aber der Psychologe daraus gemacht hat, ist in meinen Augen für mich heute noch einfach unglaublich... das war einfach unverantwortlich von ihm! Ich habe Monsieur Renard ziemlich schnell seine Idee ausgeredet und er hat daraufhin sein Vorhaben fallen lassen. Begründet habe ich es Monsieur Renard im Beisein von Raoul Lélias genauso wie Ihnen jetzt auch. Es wäre nun ganz und gar nicht glaubhaft, wenn Sie mir nun einen Psychologen unterjubeln würden. Ich habe oft genug gesagt, ich würde niemals mehr in meinem Leben einen Psychologen aufsuchen. Sehen Sie, Monsieur Lélias weiß das.“
Dumas überlegte kurz. „Ist er möglicherweise ein Verdächtiger? Könnte er der Mörder sein?“
„Aber nein, Inspektor!“ Isabelle fand diesen Gedanken belustigend und musste schmunzeln. „Monsieur Lélias , ein Mörder ? Ganz sicher nicht! Der könnte keiner Fliege etwas zu leide tun. Monsieur Renard hielt ziemlich viel von ihm. Er bot ihm ebenfalls die Partnerschaft im Unternehmen an. Ich wollte meine Partnerschaft an dem Tag ablehnen, als ich Renards Leichnam fand. Wissen Sie, Sébastian hat mir letzten Samstag einen Antrag gemacht und mich gebeten, meinen Job aufzugeben, um mehr Zeit mit ihm verbringen zu können. Ich hatte das auch vor, Inspektor.“
Dumas dachte kurz nach. Plötzlich kramte er sein Mobiltelefon aus der Tasche heraus, wählte die Nummer seines Partners und wartete einen kurzen Moment. „Christophe, ich bin‘s. Hör‘ zu, hast du den Prokuristen der Renard S.A.R.L. schon verhört? Das war der Kerl, der plötzlich im Treppenhaus aufgetaucht war, bevor man mich ins St. Vincent de Paul gefahren hat. Sein Name ist Lélias.“
Dumas lauschte Clavels Worten und fixierte dabei einen Punkt an der Wand, genau über Forts Kopf, damit er nicht gezwungen war, ihm in die Augen schauen zu müssen. Plötzlich rief er laut aus: „Was ist mit dem Alibi? Halloooo... Christophe, verdammt noch mal, hörst du mich?... Was ist mit dem Alibi? Was?.. . am Hauptbahnhof in Strasbourg?.. . Was?... die Scheißverbindung ist so schlecht... hallooooo... gut, jetzt höre ich dich wieder. Mann, du warst wohl gerade in einem beschissenen Funkloch?“ Als Clavel mit seiner Berichterstattung fertig war, legte Dumas wieder auf, um den anderen beiden von diesem Gespräch zu erzählen. „Christophe hat ihm ein paar Fragen über Renard gestellt. Am Morgen war er so verstört gewesen, dass er ihn erst am späten Vormittag verhören konnte. Die anderen Angestellten hat er übrigens auch schon vernommen. Niemand konnte sich so richtig vorstellen, was eigentlich passiert war. Alle schienen total entsetzt zu sein, hat er gesagt. So wie’s aussieht, war Renard wohl recht beliebt, oder?“ Er sah Isabelle fragend an. Doch sie äußerte sich nicht. Dumas sprach weiter. „Christophe hat auch gesagt, dass Lélias ziemlich betroffen auf ihn wirkte... irgendwie stand er während des ganzen Gesprächs neben sich, wie paralysiert, hat er gemeint... aber unser Mörder ist er keinesfalls, denn er hat ein hieb und stichfestes Alibi... und zwar war Lélias letztes Wochenende auf einem Seminar für Führungskräfte in Strasbourg...“
„Stimmt!“, rief Isabelle aus. „Das hätte ich ja beinahe vergessen. Monsieur Lélias hat sich schon vor einem Monat für dieses Seminar angemeldet.“
Dumas sah sie an, dann sprach er weiter. „Am Sonntag Abend gegen halb sieben ist er dann von dort aus in den Zug nach Paris gestiegen. Seine Fahrkarte wurde kurz darauf im Zug entwertet. Der Stempel war vom 19. Oktober und es war kurz nach sieben Uhr. Christophe hat sie gesehen. Lélias hatte sie dabei, weil er sie der Buchhaltung für seine Reisekostenabrechnung vorlegen wollte. So wie es aussieht, konnte er unmöglich an zwei Orten gleichzeitig sein. Zur Tatzeit war er gerade mal ein paar Kilometer von Strasbourg entfernt. Er kann unmöglich Renards Mörder sein. Da hätte er sich schon in dessen Büro beamen müssen, um das zu schaffen. So wie es aussieht, hat Lélias ein bombenfestes Alibi! Ich denke, den können wir von
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