EngelsZorn - Im Blutrausch
Renard in ihrem Büro auftauchen würde. Aus den beiden Lautsprechern ertönten leise die Klänge der spanischen Musik, sie lauschte der Melodie, betrachtete schon wieder ihren Verlobungsring und dachte an Sébastian. Fünf Minuten später war ihr erst aufgefallen, dass Renard immer noch nicht in ihrem Büro aufgetaucht war.
„Es ist schon nach sieben...“, sagte sie halblaut zu sich selbst. Sie nahm das Haustelefon in die Hand, wählte seine Durchwahlnummer und ließ es ziemlich lange klingeln. Isabelle hörte den dumpfen Laut des Klingeltons neben den halblauten Musikklängen durch Renards geschlossene Milchglastür heraus. Doch er hob nicht ab.
„Was ist denn nur in Renard gefahren?“, murmelte sie verwundert. „Will er mich nicht hören? Der ist doch nicht mehr zu retten!“, stieß sie verwundert und zugleich verärgert aus.
Sie führte oftmals Selbstgespräche, was eine alte Angewohnheit aus ihrer Kindheit war. Damals war sie erst acht gewesen, als der Schulpsychologe zu ihrer Mutter gesagt hatte, Isabelle lebe in ihrer eigenen kleinen imaginären Welt, sei aufgrund dessen sehr introvertiert, ziehe sich immer mehr in sich zurück und finde nur schwerlich Kontakt zu anderen Mitschülern. Daher rühren auch die häufigen Selbstgespräche her, die ihre Tochter führe, wenn sie alleine war, hatte er ihr erklärt. Isabelle sei jedoch äußerst begabt und talentiert, lediglich ihre Verschlossenheit anderen gegenüber mache ihm Sorgen. Die Mutter war empört, zumal sie die Bedeutungen der Wort e ‚imaginär ‘ un d ‚introvertiert ‘ nicht verstand und daher auch nicht genau wusste, wovon der Psychologe überhaupt gesprochen hatte. Aus Scham, man könne anfangen ihre Tochter für verrückt zu halten, was womöglich auf sie zurückfallen würde, hatte sie ihr von diesem Zeitpunkt an verboten, je wieder ein Wort zu sprechen, wenn niemand im Raum anwesend sei und sie auch niemanden mit ihren Worten ansprechen wolle. Hatte es Isabelle unbewusst aber doch wieder getan und war dabei ertappt worden, bestrafte sie ihre Mutter mit Schlägen durch die flache Hand auf den Mund. Isabelles Lippen waren in jener Zeit oft geschwollen gewesen.
„Wieso gehst du denn nicht ans Telefon?!... verdammt...“, schimpfte sie leise. „Zuerst bestellst du mich so früh hierher und dann hältst du es noch nicht einmal für nötig, abzuheben... ja, ja, ich soll‘s wohl alleine fertig machen?! Das würde dir so passen...“ Sein Verhalten verärgerte sie sehr, zumal sie viel lieber noch länger bei Sébastian im Bett geblieben wäre. „Typisch für dich!“ Sie stand auf, ging zu seiner Bürotür und klopfte an.
„Monsieur Renard?!“, rief sie durch die geschlossene Tür. Isabelle lauschte.
Aber Renard meldete sich nicht. Nur die Musik, die er spielen ließ und die halblaut nach außen drang, war zu hören.
„Was hört er denn da an?“, sprach sie leise vor sich hin und wunderte sich. Von irgendwoher kannte sie das Lied, wobei sie sich nicht mehr daran erinnern konnte, dass es ihr von Sébastian vor einigen Wochen mal vorgespielt worden war, weil sie es noch nie zuvor gehört hatte. Isabelle lauschte abermals. Dann klopfte sie ein zweites Mal an die Tür, diesmal jedoch etwas energischer als beim ersten Mal.
Es rührte sich immer noch nichts. Renard rief sie nach wie vor nicht herein. Durch das getrübte Glas der Milchglastür war es ihr nicht möglich, etwas anderes als nur leichte, schemenhafte Umrisse des Mobiliars im Innenraum zu erkennen.
„Jetzt reicht’s mir aber...“, murmelte Isabelle.
Sie riss die Tür auf und stürmte mit einem Satz in sein Büro. Doch was sie dort erwartete, hätte sie sich in ihren schlimmsten Albträumen nicht vorstellen können. Bei diesem entsetzlichen Anblick, der sich ihr augenblicklich darbot, stockte ihr der Atem. Er ließ ihr Blut in den Adern gefrieren. Sie blieb wie angewurzelt stehen und stieß einen Schrei aus. Isabelle konnte nicht fassen, was sie sah. Dieses erschreckend grauenhafte Bild begann, sich in ihrem Kopf festzusetzen. Es fraß sich buchstäblich in ihre Gedanken hinein. Renard lag in der Mitte seines Büroraums an Füßen und Händen gefesselt am Boden auf einem ausgebreiteten Laken, das völlig Blut durchtränkt und nur am Rand noch weiß war. Um seinen starren Körper hatte sich eine große Blutlache gebildet und seine ganze Kleidung war mit seinem Blut durchtränkt. An seinem Hals erkannte Isabelle eine große, tiefe Schnittwunde. Renard war auf grausame Art
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