EngelsZorn - Im Blutrausch
von jenem Morgen spielten sich vor seinem inneren Auge ab. Er eilte hastig durch den Eingang des Hospitals zur am Boden liegenden Isabelle.
Als Isabelle wieder zu sich kam, lag sie in einem hell beleuchteten Raum auf einer weißen Liege.
Eine junge Krankenschwester beugte sich gerade über sie und rief ihr etwas zu. „Mademoiselle Dion, können Sie mich hören? Wie viele Finger halte ich in die Luft?“
„Zwei...“, stammelte Isabelle. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wo sie war und was sie hier machte. „Wo bin ich?“
„Im Hospital St. Vincent de Paul.“, antwortete die Krankenschwester.
Im selben Moment, als Isabelle diese Worte vernahm, wurde ihr plötzlich alles wieder bewusst und sie erinnerte sich sofort daran, wieso sie hierhergekommen war. Sie richtete sich hastig auf. „Wo ist Sébastian?“ In ihrer Stimme lag tiefe Verzweiflung. Hinter der Krankenschwester nahm sie zwei Männer wahr, die ihr auf irgendeine Art und Weise bekannt vorkamen. Sie versuchte sich zu erinnern, woher sie sie kannte. Mit einem Schlag kam es ihr wieder in den Sinn. David Fort war einer der beiden Männer und in dem anderen erkannte sie den Reporter wieder, dessen Name ihr jedoch abermals entfallen war. Isabelle wandte sich erneut der Krankenschwester zu. „Bitte lassen Sie mich zu Sébastian. Bitte.“, flehte sie sie an. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt.
Fort empfand tiefes Mitleid mit Isabelle und ging auf sie zu. „Sobald Sie wieder aufstehen können, gehen wir zu ihm.“, sagte er. „Ich habe das gerade für Sie geregelt, Mademoiselle Dion.“
Isabelle lächelte ihn an. „Danke.“ Sie vertraute ihm. Sie stieg ruckartig von der Liege herunter, trat mit ihren Füßen auf dem kalten Steinfußboden auf und schlüpfte in ihre Stiefel, die man ihr ausgezogen hatte. Sie fühlte sich aber noch etwas wackelig auf den Beinen, schwankte ein wenig hin und her, daher stützte sie sich mit beiden Händen an der Liege ab und lehnte mit dem Gesäß an dem Gestell. Der unbändige Drang zu Sébastian zu gelangen, trieb sie jedoch unaufhaltsam vorwärts. Sie richtete sich wieder auf.
„Soll ich Sie stützen?“, fragte Fort und bot ihr seinen Arm an.
„Nein danke, Monsieur Fort, es geht schon. Bitte, sagen Sie mir, wo ist Sébastian?“
Ihr trauriger Blick berührte ihn sehr. „Kommen Sie! Wir gehen gleich zu ihm.“ Fort bat die Krankenschwester, ihnen vorauszugehen. Er folgte ihr mit Isabelle.
Duval schloss sich der kleinen Gruppe unbemerkt an, denn niemand richtete in diesem Moment wirklich sein Augenmerk auf ihn.
Sie fuhren mit dem Aufzug in die vierte Etage und betraten die Intensivstation.
Isabelle musste noch einige Minuten warten, bevor sie dann endlich zu Sébastian gelassen wurde.
Als sie die Tür öffnete und das Krankenzimmer betrat, versetzte ihr Sébastians Anblick einen tiefen Stich in der Brust. Sie durchlebte in diesem Moment tausend furchtbare Tode. Er lag regungslos auf dem Bett und war an das Beatmungsgerät und die Überwachungsmonitore angeschlossen. Die Lampe über dem Bett war nicht eingeschaltet und die Vorhänge zur Hälfte zugezogen. Der Bildschirm des EEG, der keine außergewöhnliche Aktivität anzeigte, tauchte den Raum in ein grünliches Licht. Schläuche waren überall an ihm befestigt und über seinem Kopf war eine Mullbinde angelegt. Im Gesicht hatte er einige tiefe Schürfwunden und das geronnene Blut in seinen Wunden sah furchterregend aus. Über seinem rechten Auge hatte er eine tiefe Platzwunde und die Schwellung drückte sein geschlossenes Augenlid gegen die Wange nach unten. Isabelle rollten abermals dicke Tränen über ihre Wangen, als sie ihn dort auf dem Krankenbett derart verwundet liegen sah. Sie stürzte auf Sébastian zu, griff nach seiner linken Hand, fiel vor ihm auf die Knie und vergrub ihr Gesicht im Bettlaken. Ihr herzergreifendes Schluchzen hallte durchs ganze Zimmer. Immer wieder küsste sie Sébastians Handfläche, die durch ihre Tränen benetzt wurde.
Ferdinand de Valence stand mit Charlotte abseits vom Krankenbett seines Sohnes am Fenster. Isabelle hatte die beiden nicht bemerkt. Für sein Alter sah de Valence erstaunlich jung aus, und Sébastian hatte viele Gemeinsamkeiten mit ihm. Nicht nur, dass er ihm äußerlich ähnelte, er hatte auch viele charakterliche Eigenschaften seines Vaters übernommen. Isabelle hatte Sébastian immer wieder gesagt, wenn sie über seinen Vater gesprochen hatten, dass sie sich genau vorstellen könne,
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