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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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ausführlich dar, worin er die Nachteile dieser Verbindung erblickte. Tony stimmte im Prinzip zu, wandte aber ein, Linda sei jung, intelligent, energisch, er habe großen Einfluss auf sie und zweifle nicht daran, dass man aus ihr einen gewaltigen Aktivposten machen könne. Schließlich gab Sir Leicester seine Zustimmung.
    »Es hätte schlimmer kommen können«, meinte er, »immerhin ist sie eine Lady.«
    Lady Kroesig nahm Verhandlungen mit Tante Sadie auf. Linda hatte sich inzwischen in einen bejammernswerten Zustand körperlicher und seelischer Zerrüttung verbissen und machte durch andauernde schlechte Laune ihrer Umgebung das Leben unerträglich. Deshalb überzeugte Tante Sadie, die über diese Wendung der Dinge insgeheim sehr erleichtert war, Onkel Matthew davon, dass die Heirat, wenn auch keineswegs ideal, doch unvermeidlich sei und dass er lieber gute Miene dazu machen solle, wenn er sich sein Lieblingskind nicht für immer entfremden wolle.
    »Ich nehme an, es hätte schlimmer kommen können«, murrte Onkel Matthew, »wenigstens ist der Bursche kein Katholik.«

9
    Die Verlobung wurde ordnungsgemäß in der Times angezeigt. Die Kroesigs luden die Radletts nun für die Zeit von Samstag bis Montag in ihr Haus in der Nähe von Guildford ein. Lady Kroesig sprach in ihrem Brief an Tante Sadie von einem Weekend und fügte hinzu, es werde gewiss nett sein, einander näher kennenzulernen. Onkel Matthew war außer sich. Diese Einladung lief nicht nur seinem Grundsatz zuwider, sich nie bei anderen Leuten einzuquartieren (außer in seltenen Fällen bei Verwandten), dass sie überhaupt ausgesprochen wurde, hielt er schon für eine Beleidigung. Das Wort Weekend konnte er nicht ausstehen, und der Gedanke, es könnte nett sein, die Kroesigs näher kennenzulernen, entlockte ihm nur ein sarkastisches Schnaufen. Als Tante Sadie ihn ein wenig beruhigt hatte, unterbreitete sie den Vorschlag, stattdessen die Familie Kroesig, Vater, Mutter, Tochter Marjorie und Tony, von Samstag bis Montag nach Alconleigh einzuladen.
    Nachdem der arme Onkel Matthew sich mit Lindas Verlobung einigermaßen abgefunden hatte, hatte er, das muss man der Gerechtigkeit halber sagen, beschlossen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und Linda in der Beziehung zu ihren künftigen Schwiegereltern keine Schwierigkeiten zu bereiten. Im Grunde seines Herzens hegte er großen Respekt vor Familienbeziehungen, und einmal, als Bob und Jassy über einen Vetter herzogen, den die ganze Familie, Onkel Matthew eingeschlossen, überhaupt nicht leiden konnte, hatte er sie mit den Köpfen zusammengestoßen und erklärt: »Erstens ist er ein Verwandter und zweitens ein geistlicher Herr, also haltet den Mund!«
    Bei den Radletts war der Ausspruch zum geflügelten Wort geworden.
    So erging denn eine förmliche Einladung an die Kroesigs. Sie nahmen an, und das Datum wurde festgesetzt. Jetzt geriet Tante Sadie in Panik und rief Tante Emily und Davey zu Hilfe. (Ich war ohnehin für ein paar Wochen zur Jagd in Alconleigh.) Louisa stillte gerade in Schottland ihr zweites Baby, hoffte aber, später zur Hochzeit in den Süden kommen zu können.
    Die Ankunft der vier Kroesigs in Alconleigh stand unter keinem günstigen Stern. Als man das Brummen des Wagens, der sie am Bahnhof abgeholt hatte, in der Auffahrt hörte, gingen im ganzen Haus schlagartig sämtliche Lichter aus – schuld daran war Davey, der eine neue Höhensonne mitgebracht hatte. Die Gäste mussten in die stockfinstere Halle geführt werden, während Logan in der Vorratskammer nach einer Kerze suchte und Onkel Matthew zum Sicherungskasten stürzte. Lady Kroesig und Tante Sadie plauderten unterdessen über dies und das, Linda und Tony kicherten in der Ecke, und Sir Leicester stieß sich seine gichtigen Zehen am Fuß eines Esstischs, während man vom oberen Treppenabsatz die Stimme eines unsichtbaren Davey vernahm, der laut jammernd um Verzeihung bat. Es war wirklich sehr peinlich.
    Schließlich gingen die Lichter wieder an, und die Kroesigs kamen zum Vorschein. Sir Leicester war ein großer, stattlicher Mann mit grauem Haar, dessen unstreitig gutes Aussehen von einer gewissen Kindlichkeit in seinen Gesichtszügen beeinträchtigt wurde; seine Frau und seine Tochter waren kleine, rundliche Geschöpfe. Tony war offenbar nach seinem Vater geraten und Marjorie nach der Mutter. Tante Sadie, die aus dem Tritt gekommen war, als die Stimmen aus dem Dunkel plötzlich zu Menschen aus Fleisch und Blut wurden, fühlte sich unfähig,

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