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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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spricht, wenn er vor dem Haus eine Rede hält.«
    »Ich habe auf dem Land gelebt«, entgegnete Tony. »Steck doch die Maus weg, die Leute gucken.« Böse wurde er nie, dazu war er viel zu aufgeblasen.
    »Surrey«, sagte Linda mit abgrundtiefer Verachtung.
    »Na und? Das letzte Mal, als dein Pa eine Rede gehalten hat, über die Peeresses aus eigenem Recht, da war sein einziges Argument für ihre Nichtzulassung im Oberhaus, dass sie sonst die Toilette der Peers benutzen würden.«
    »Ist er nicht süß?«, meinte Linda. »Gedacht haben sie es alle, weißt du, aber er war der Einzige, der es auszusprechen wagte.«
    »Das ist das Schlimmste am Oberhaus«, ereiferte sich Tony. »Diese Hinterwäldler kommen einfach vorbei, wann es ihnen in den Kram passt, und bringen den ganzen Laden mit ein paar dummen Bemerkungen in Verruf, die riesiges Aufsehen erregen und bei den Leuten draußen den Eindruck hinterlassen, wir würden von einem Haufen Verrückter regiert. Diese alten Peers sollten sich einmal klarmachen, dass sie es ihrer Klasse schuldig sind, zu Hause zu bleiben und Ruhe zu geben. Wie viel hervorragende, solide, notwendige Arbeit im Oberhaus tatsächlich geleistet wird, ist dem Mann auf der Straße völlig unbekannt.«
    Sir Leicester erwartete, bald Peer zu werden, deshalb lag Tony dieses Thema sehr am Herzen. Seiner Ansicht nach wäre es an sich richtig gewesen, den Mann auf der Straße, wie er ihn nannte, ständig mit Maschinengewehren in Schach zu halten; da dies aber infolge der Schwäche, die die großen Whig-Familien in der Vergangenheit gezeigt hatten, unmöglich geworden war, musste er mit der Fiktion betäubt und zur Unterwerfung gebracht werden, großartige Reformen, die die konservative Partei bewerkstelligen werde, stünden unmittelbar bevor. So könnte man ihn auf unbestimmte Zeit ruhig halten, jedenfalls solange es keinen Krieg gab. Der Krieg lässt die Menschen enger zusammenrücken und öffnet ihnen die Augen, er musste deshalb um jeden Preis vermieden werden, vor allem ein Krieg mit Deutschland, wo die Kroesigs finanzielle Interessen und viele Verwandte hatten. (Sie stammten von einer Junkerfamilie ab, sahen aber auf ihre preußische Verwandtschaft aus der gleichen Höhe herab, aus der diese auf die Kroesigs herabblickte, weil sie unter die Kaufleute gegangen waren.)
    Sowohl Sir Leicester als auch sein Sohn waren große Bewunderer Hitlers: Sir Leicester war ihm bei einem Besuch in Deutschland begegnet, und einmal hatte ihn Dr. Schacht zu einer Fahrt in einem Mercedes-Benz mitgenommen.
    Linda interessierte sich nicht für Politik, aber sie war auf eine instinktive, unverständige Weise englisch. Sie wusste, dass ein Engländer so viel wert war wie hundert Ausländer, während Tony meinte, ein Kapitalist sei so viel wert wie hundert Arbeiter. Die Ansichten der beiden zu diesem wie zu den meisten Themen gingen eben weit auseinander.

12
    Dank einer merkwürdigen Ironie des Schicksals lernte Linda Christian Talbot ausgerechnet im Haus ihres Schwiegervaters in Surrey kennen. Die sechsjährige kleine Moira war jetzt ständig in Planes; diese Lösung war die beste, denn Linda, die Haushaltsdinge verabscheute, blieb es auf diese Weise erspart, zwei Häuser zu führen, und Moira kamen die gute Luft und die ländliche Kost zugute. Eigentlich sollten Tony und Linda regelmäßig einige Abende in der Woche dort verbringen, und Tony fuhr auch meistens hin. Linda aber ließ sich vielleicht einmal im Monat, an irgendeinem Sonntag, blicken.
    Planes war ein schauderhaftes Domizil. Es war ein zu groß geratenes Landhaus, genauer gesagt, die Zimmer waren zwar geräumig, aber sie wiesen alle Nachteile eines Landhauses auf, niedrige Decken, kleine Fenster mit Rautenscheiben, holprige Dielen und viel nacktes, astiges Holz. Eingerichtet war das Haus weder mit gutem noch mit schlechtem Geschmack, sondern einfach ohne jeden Geschmack, und komfortabel war es auch nicht. Es lag in einem Garten, der das Paradies jeder Aquarellmalerin gewesen wäre. Rabatten, Steingärten und Teiche protzten in erlesener Vulgarität mit einer Orgie ebenso riesiger wie hässlicher Pflanzen, von denen jede einzelne zweimal so groß und dreimal so leuchtend hervortrat, wie sie hätte sein sollen, und möglichst auch in einer anderen Farbe, als die Natur ihr bestimmt hatte. Man hätte kaum sagen können, wann er grässlicher und mehr nach Technicolor aussah – im Frühling, im Sommer oder im Herbst. Nur im tiefen Winter, wenn der Schnee ihn gnädig

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