Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
Deutschland, den Bürgerkrieg in Spanien, den halbherzigen Sozialismus in Frankreich, die Tyrannei in Afrika, den Hunger in Asien, die Reaktion in Amerika, den verderblichen Einfluss der Rechten in England. Nur die Sowjetunion, Norwegen und Mexiko kamen in seinem Urteil etwas besser weg.
Linda war eine reife Pflaume, man brauchte nur zu schütteln. Der Baum wurde geschüttelt, und sie fiel herab. Intelligent und energiegeladen, aber ohne Betätigungsfeld für ihre Energien, unglücklich in ihrer Ehe, ohne Interesse für ihr Kind und bedrückt von einem Gefühl innerer Leere, war sie in der Stimmung, sich für irgendeine gute Sache zu engagieren oder sich auf eine Liebesaffäre einzulassen. Dass nun ein attraktiver junger Mann sie mit dieser guten Sache konfrontierte, machte diese Sache und ihn gleichermaßen unwiderstehlich.
13
Die armen Radletts hatten es auf einmal fast gleichzeitig mit drei Krisen bei dreien ihrer Kinder zu tun. Linda lief Tony weg, Jassy lief von zu Hause weg, und Matt lief von Eton weg. Früher oder später müssen sich alle Eltern damit abfinden, dass ihre Kinder die elterliche Gewalt abschütteln und die Verantwortung für ihr Leben selbst übernehmen, den Radletts erging es nicht anders. Sie waren besorgt, aufgebracht, zu Tode erschrocken – und konnten doch nichts tun; sie waren nur Zuschauer bei einem Schauspiel, das ihnen nicht im Mindesten behagte. In diesem Jahr trösteten sich die Eltern unserer Altersgenossen, wenn bei ihren eigenen Kindern etwas nicht ganz so ging, wie sie es erhofft hatten, mit den Worten: »Macht nichts, denkt nur an die armen Alconleigher.«
Was Linda während ihrer Jahre in der Londoner Gesellschaft an Besonnenheit und Weltweisheit erworben haben mochte, schlug sie nun in den Wind; sie wurde eine wackere Kommunistin, langweilte und belästigte alle Welt mit ihrem neuen Dogma, und zwar nicht nur an der Dinnertafel, sondern auch im Hyde Park von einer Seifenkiste und anderen nicht minder wackligen Rednertribünen herunter, bis sie schließlich zur unendlichen Erleichterung der Kroesigs davonlief und zu Christian zog. Tony leitete die Scheidung ein. Für meine Tante und meinen Onkel war das ein schwerer Schlag. Gewiss, sie hatten Tony nie wirklich gemocht, aber sie hegten doch äußerst altmodische Vorstellungen; die Ehe war in ihren Augen etwas Unumstößliches, und Ehebruch war ein Unrecht. Vor allem Tante Sadie war tief schockiert darüber, wie Linda die kleine Moira leichten Herzens verlassen hatte. Ich nehme an, es erinnerte sie zu sehr an meine Mutter, und sie sah auch für Linda eine Zukunft voraus, die aus lauter unberechenbaren Hopsern bestand.
Linda besuchte mich in Oxford. Sie war auf dem Weg zurück nach London, nachdem sie ihren Eltern die Neuigkeit beigebracht hatte. Ich fand es wirklich sehr mutig von ihr, dass sie dazu selbst nach Alconleigh gefahren war, und kaum war sie bei mir eingetreten, da bat sie auch schon (wie es sonst gar nicht ihre Art war) um einen Drink. Sie war mit den Nerven ziemlich herunter.
»Du meine Güte«, sagte sie, »ich hatte vergessen, wie furchtbar Pa sein kann – auch jetzt noch, wo er keine Gewalt mehr über einen hat. Es war genau wie damals, als wir bei Tony zum Essen waren, im Geschäftszimmer, genauso, er tobte, und die arme Mama blickte ganz bekümmert drein, aber auch sie war ganz schön wütend, und du weißt ja, wie sarkastisch sie sein kann. Also – das habe ich hinter mir. Liebling, es ist himmlisch, dich wiederzusehen.«
Ich hatte sie seit jenem Sonntag in Planes, an dem sie Christian kennengelernt hatte, nicht mehr gesehen und wollte deshalb alles über ihr Leben hören.
»Na ja, ich wohne also jetzt bei Christian, in seiner Wohnung, sie ist ziemlich klein, muss ich sagen, aber vielleicht ist das gar nicht schlecht, denn ich mache den Haushalt, und darin bin ich anscheinend nicht besonders gut – er ist da zum Glück ganz anders.«
»Das muss er wohl auch sein«, sagte ich.
Lindas Ungeschicklichkeit war in ihrer Familie sprichwörtlich, nicht einmal ihre Halsbinde konnte sie sich selbst knoten, und an Jagdtagen musste es entweder Onkel Matthew oder Josh für sie tun. Ich sehe sie noch vor mir, wie sie vor dem Spiegel in der Halle stand und Onkel Matthew ihr von hinten den Knoten machte, beide der Inbegriff von Konzentration, und wie Linda schließlich sagte: »Ah, jetzt habe ich begriffen. Nächstes Mal schaffe ich es selber.« Da sie in ihrem ganzen Leben noch nie selbst ihr Bett gemacht hatte,
Weitere Kostenlose Bücher