Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
zudeckte, fügte er sich in die Landschaft und war erträglich.
An einem Samstagmorgen im April des Jahres 1937 nahm mich Linda, die ich in London besucht hatte, mit, um dort bis zum nächsten Tag zu bleiben, wie sie es manchmal tat. Ich glaube, sie hatte gern einen Puffer zwischen sich und den Kroesigs und vielleicht besonders zwischen sich und Moira. Die alten Kroesigs hatten mich irgendwie liebgewonnen, und manchmal lud mich Sir Leicester zu einem Spaziergang ein, auf dem er mir dann zu verstehen gab, wie gern er es gesehen hätte, wenn Tony mich geheiratet hätte, ich sei so ernst und so gebildet, eine so gute Ehefrau und Mutter.
Wir fuhren im Wagen durch die Blütenpracht von Surrey.
»Der große Unterschied«, erklärte Linda, »zwischen Surrey und dem echten, wirklichen Land ist der: Wenn es in Surrey blüht, dann weiß man, dass keine Früchte dabei herauskommen. Denk mal an das Tal von Evesham, und dann sieh dir all dieses nutzlose rosa Zeug an – das ist doch ein ganz anderes Gefühl. Der Garten in Planes ist absolut steril, du wirst sehen.«
So war es. Fast nirgendwo war das zarte, helle Gelbgrün des Frühlings zu sehen, jeder Baum schien mit einer wogenden Masse von rosa oder malvenfarbenem Seidenpapier umwickelt. Sogar die Blüten der Osterglocken machten sich so breit, dass sie alles Grün verdeckten, neue Varietäten von erschreckender Größe, entweder völlig weiß oder tiefgelb, dick und fleischig; nichts hatten sie mit den zerbrechlichen Freundinnen unserer Kindheit gemein. Das Ganze prangte wie eine Operettenbühne, und gerade dies gefiel Sir Leicester, der, wenn er sich auf dem Land aufhielt, mit erstaunlichem Geschick in die Rolle des englischen Landadligen von altem Schrot und Korn zu schlüpfen verstand. Pittoresk. Entzückend.
Er hantierte gerade im Garten, als wir ankamen, in einer Cordhose, die so aufdringlich alt aussah, dass sie niemals neu gewesen sein konnte, in einer alten Tweedjacke von gleicher Machart, die Gartenschere in der Hand, einen melancholisch dreinblickenden Welsh Corgi an den Fersen und ein sanftes Lächeln auf dem Gesicht.
»Da seid ihr ja«, begrüßte er uns herzlich. (Man konnte fast sehen, wie die Comicstripwolke voller Gedanken über seinem Kopf schwebte – »Du bist zwar eine höchst untaugliche Schwiegertochter, aber wir lassen uns von niemandem etwas nachsagen, einen Willkommensgruß und ein freundliches Lächeln haben wir immer für dich.«) »Mit dem Wagen alles in Ordnung? Tony und Moira sind ausgeritten, ich dachte, ihr würdet ihnen vielleicht begegnen. Sieht der Garten nicht großartig aus, ich mag gar nicht daran denken, dass ich wieder nach London muss und die ganze Pracht zurückbleibt, ohne dass jemand etwas davon hat. Kommt, wir machen einen kleinen Spaziergang vor dem Lunch – Foster wird sich um euer Gepäck kümmern –, klingele doch mal an der Vordertür, Fanny, vielleicht hat er den Wagen nicht gehört.«
Dann entführte er uns in das Land der Madame Butterfly.
»Ich muss euch warnen«, sagte er, »da kommt heute ein etwas ungehobelter Kerl zum Lunch. Ich weiß nicht, ob ihr mal Talbot kennengelernt habt, den alten Professor, der im Dorf wohnt. Na ja, sein Sohn, Christian. Er mausert sich gerade zum Kommunisten, ein kluger Kerl, aber völlig verbohrt, arbeitet als Journalist für irgendein Käseblatt. Tony mag ihn nicht, schon als Kind konnte er ihn nicht ausstehen; er ist richtig böse auf mich, weil ich ihn eingeladen habe, aber ich finde, es kann nicht schaden, sich diese Linken mal anzusehen. Wenn Leute wie wir nett zu ihnen sind, fressen sie uns am Ende aus der Hand.«
Er sagte das in einem Ton, als hätte er im Krieg einem Kommunisten das Leben gerettet und ihn durch diese Tat zu einem dankbaren Tory von waschechtem Blau gemacht. Aber Sir Leicester war im Ersten Weltkrieg zu der Überzeugung gelangt, dass es die reine Verschwendung wäre, wenn man ihn mit seinem überlegenen Verstand als Kanonenfutter verheizen würde, und deshalb hatte er sich in einem Büro in Kairo installiert. Weder rettete er, noch raubte er jemandem das Leben, setzte auch sein eigenes nicht aufs Spiel, sondern knüpfte stattdessen viele wertvolle Geschäftsbeziehungen, wurde Major und bekam den Orden des British Empire verliehen – er machte eben aus allem das Beste.
Christian kam also zum Lunch und blieb zunächst äußerst verschlossen. Er war ein sehr gut aussehender junger Mann, groß und blond, aber völlig anders als Tony, mager und sehr englisch.
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