Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
sie damit, für Christian und die Genossen den Haushalt zu führen, und dazu gehörten ihre heftigen Bemühungen, eine nicht abreißende Kette von Hausmädchen zum Bleiben zu bewegen, ebenso wie ihre ehrlich gemeinten, aber leider vergeblichen Anstrengungen, diese Mädchen zu vertreten, wenn sie wieder gegangen waren, was im Allgemeinen nach Ablauf einer Woche der Fall war. Gegenüber Hausmädchen benahmen sich die Genossen nämlich nicht besonders nett oder rücksichtsvoll.
»Weißt du, konservativ zu sein ist sehr viel geruhsamer«, sagte mir Linda einmal in einem schwachen Augenblick, als sie mit ungewohnter Offenheit über ihr Leben sprach, »obgleich man nie vergessen darf, dass es nicht gut, sondern schlecht ist. Aber es findet innerhalb fester Zeiten statt, und danach ist Schluss, während der Kommunismus anscheinend das ganze Leben und die ganze Kraft verzehrt. Außerdem sind die Genossen echte Hons, aber manchmal machen sie mich furchtbar wütend, genauso wie Tony einen wütend machen konnte, wenn er über die Arbeiter sprach. Das gleiche Gefühl habe ich oft, wenn sie von uns sprechen – verstehst du, genau wie bei Tony, sie haben nichts begriffen. Ich bin dafür, wenn sie Sir Leicester aufknüpfen, aber wenn sie sich an Tante Emily und Davey oder auch an Pa heranmachen würden – ich glaube nicht, dass ich das mit ansehen könnte. Man ist eben weder Fisch noch Fleisch, das ist das Schlimme.«
»Aber es gibt doch einen Unterschied zwischen Sir Leicester und Onkel Matthew«, sagte ich.
»Das versuche ich ihnen ja andauernd zu erklären. Sir Leicester rafft sein Geld in London zusammen, weiß der Himmel, wie, aber Pa holt es aus seinem Land, und einen großen Teil steckt er wieder hinein, nicht nur Geld, auch Arbeit. Und überleg mal, was er alles ohne Bezahlung tut – diese langweiligen Versammlungen, Grafschaftsrat, Friedensrichter und so weiter. Und er ist ein guter Grundbesitzer, er kümmert sich. Weißt du, die Genossen kennen das Land nicht – sie hatten keine Ahnung, dass man ein schönes Haus mit einem großen Garten für zwei Shilling sechs Pence die Woche bekommen kann, bis ich es ihnen erzählte, und dann wollten sie es mir kaum glauben. Christian weiß es, aber er sagt, der Fehler liege im System, und ich nehme an, da liegt er auch.«
»Was macht Christian eigentlich genau?«
»Ach, alles Mögliche. Im Augenblick schreibt er gerade ein Buch über den Hunger – meine Güte, es ist ja wirklich schlimm –, aber da kommt nun immer so ein netter, kleiner chinesischer Genosse zu uns und erzählt ihm, was Hunger ist – so einen dicken Menschen hast du noch nie gesehen!« Ich lachte.
Schuldbewusst fügte Linda rasch hinzu: »Na ja, es sieht vielleicht so aus, als wollte ich mich über die Genossen lustig machen, aber man weiß doch zumindest, dass sie etwas Gutes tun und nichts Böses, sie leben auch nicht von der Sklaverei anderer Menschen, wie Sir Leicester, und ich habe sie wirklich gern, weißt du, auch wenn ich mir manchmal wünschte, dass sie ein bisschen geselliger und gesprächiger wären und nicht ganz so traurig und ernst und verbiestert.«
15
Zu Beginn des Jahres 1939 strömte die Bevölkerung von Katalonien über die Pyrenäen ins Roussillon, eine arme, wenig bekannte französische Provinz, die nun binnen weniger Tage von mehr Spaniern als Franzosen bewohnt war. Wie die Lemminge, die sich in einem Massenselbstmord von der norwegischen Küste ins Meer stürzen, ohne zu wissen, woher und wohin, so ergriffen von einem auf den anderen Tag eine halbe Million Männer, Frauen und Kinder, ohne sich lange zu besinnen, die Flucht in die Kälte des Gebirges. Es war in der Kürze der Zeit, die sie benötigten, die größte Völkerwanderung seit Menschengedenken. Aber jenseits der Berge fanden sie nicht das Land der Verheißung; die französische Regierung, unschlüssig, wie zu verfahren sei, jagte sie zwar nicht mit Maschinengewehren über die Grenze zurück, aber sie hieß sie auch nicht als Waffenbrüder im Kampf gegen den Faschismus willkommen. Sie trieb diese Menschen wie eine Viehherde in die unwirtlichen Salzsümpfe an der Mittelmeerküste und pferchte sie wie eine Viehherde hinter Stacheldraht ein, um sie dann einfach zu vergessen.
Christian, der, wie ich glaube, immer ein schlechtes Gewissen gehabt hatte, weil er nicht in Spanien gekämpft hatte, machte sich sofort auf den Weg nach Perpignan, um zu sehen, was dort vor sich ging und wo etwas getan werden konnte. Er schrieb zahllose
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