Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
wollen. In ihren Gedanken waren Christian und das Glück damals noch miteinander verbunden.
In Perpignan traf sie ihn in hektischer Betriebsamkeit. Geld war aufgetrieben und ein Schiff gechartert worden, und sechstausend Spanier sollten aus den Lagern nach Mexiko geschickt werden. Daraus ergaben sich ungeheure Organisationsprobleme, denn die Familien (kein Spanier dächte je daran, ohne die ganze Familie auszuwandern) mussten aus den verschiedenen Lagern der Umgebung zusammengeholt, in einem Lager bei Perpignan versammelt und dann mit dem Zug zum Hafen von Sète gebracht werden, wo sie sich schließlich einschiffen sollten. Die Arbeit wurde dadurch sehr erschwert, dass spanische Ehemänner nicht denselben Nachnamen wie ihre Frauen tragen. Linda war kaum aus dem Zug gestiegen, da hatte ihr Christian dies alles schon erklärt; er gab ihr einen zerstreuten Kuss auf die Stirn und schaffte sie auf dem schnellsten Weg ins Büro, ließ ihr kaum Zeit, das Gepäck unterwegs im Hotel abzustellen, und den Gedanken, dass sie vielleicht gern ein Bad nehmen würde, wischte er einfach beiseite. Er fragte sie nicht, wie es ihr gehe und ob sie eine angenehme Reise gehabt habe – Christian ging immer davon aus, dass es den Leuten gut ging, sofern sie ihm nichts anderes sagten, und auch dann nahm er es nicht zur Kenntnis, außer wenn es sich um Mittellose, Farbige, Unterdrückte, Aussätzige oder andere unattraktive Fremde handelte. Eigentlich interessierte er sich nur für Massenelend, um Einzelfälle, so echt ihre Not auch sein mochte, kümmerte er sich nie sonderlich, und die Vorstellung, dass jemand drei ordentliche Mahlzeiten am Tag und ein Dach über dem Kopf haben könnte und sich trotzdem unglücklich oder unwohl fühlte, war für ihn ein unerträglicher Unsinn.
Das Büro war ein großer Schuppen, der von einem Hof umgeben wurde. In diesem Hof wimmelte es ständig von Flüchtlingen mit Bergen von Gepäck und einer Unzahl von Kindern, Hunden, Eseln und anderen Habseligkeiten. Alle diese Menschen hatten sich auf ihrer Flucht vor dem Faschismus soeben durch das Gebirge gekämpft und hofften nun, die Engländer würden sie vor den Internierungslagern bewahren. Einige bekamen Geld geliehen oder eine Eisenbahnfahrkarte in die Hand gedrückt, damit sie zu Verwandten in Frankreich oder nach Französisch-Marokko fahren konnten, aber die meisten von ihnen warteten stundenlang auf eine Unterredung, um dann zu erfahren, dass es für sie keine Hoffnung gab. Mit herzzerreißender Höflichkeit entschuldigten sie sich dann für die Störung und zogen sich zurück. Spanier haben einen ausgeprägten Sinn für Würde.
Hier lernte Linda Robert Parker und Randolph Pine kennen, einen jungen Schriftsteller, der in Südfrankreich eine Art Playboyleben geführt und dann in Spanien gekämpft hatte und der nun aus einem gewissen Verantwortungsgefühl für die einstigen Kampfgefährten in Perpignan arbeitete. Sie schienen sich über Lindas Ankunft zu freuen, waren sehr freundlich zu ihr und sagten, es sei nett, ein neues Gesicht zu sehen.
»Ihr müsst mir etwas zu tun geben«, sagte Linda.
»Ja, wir wollen mal überlegen«, erwiderte Robert. »Es gibt massenhaft Arbeit, keine Sorge, wir müssen nur die richtige für dich finden. Sprichst du Spanisch?«
»Nein.«
»Na, das kommt ganz von alleine.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, meinte Linda.
»Verstehst du denn etwas von Sozialarbeit?«
»Ich bin anscheinend ein hoffnungsloser Fall. Nein, nichts, tut mir leid.«
»Lavender wird eine Arbeit für sie finden«, sagte Christian, der sich an einen Tisch gesetzt hatte und in einem Karteikasten blätterte.
»Lavender?«
»Ein Mädchen namens Lavender Davis.«
»Na, so was! Ich kenne sie gut, auf dem Land früher wohnte sie in der Nachbarschaft. Sie war sogar eine meiner Brautjungfern.«
»Stimmt«, meinte Robert, »sie hat gesagt, dass sie dich kennt, ich hatte es ganz vergessen. Sie ist großartig, eigentlich arbeitet sie für die Quäker in den Lagern, aber sie hilft auch bei uns eine ganze Menge. Sie weiß absolut alles über Kalorien und Babywindeln und werdende Mütter und so weiter, wirklich die tüchtigste Person, die mir je begegnet ist.«
»Ich will dir sagen, was du tun kannst«, warf Randolph Pine ein. »Es gibt eine Aufgabe, die hat bloß auf dich gewartet, die Pläne für die Unterbringung der Leute auf dem Schiff, das nächste Woche abgehen soll.«
»Ja, natürlich«, meinte Robert, »genau das Richtige. Sie kann diesen Tisch
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