Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
der Herzogin eine Fahrt nach Barcarès machte – ja, warum eigentlich eine englische Herzogin, gibt es in Spanien keine Herzoginnen, und überhaupt, warum arbeiten eigentlich ausschließlich Engländer in Perpignan? Ich kannte in London mehrere Spanier, warum kommen sie nicht her und helfen ein bisschen mit? Sie könnten sich sehr nützlich machen. Sie sprechen vermutlich Spanisch.«
»Pa hatte ganz recht damit, dass die Ausländer Teufel sind«, sagte Matt, »zumindest die aus der Oberklasse. Die anderen Jungs hier sind alle fantastische Hons, das muss ich sagen.«
»Also, ich kann mir nicht vorstellen, dass die Engländer einander so im Stich lassen würden, auch wenn sie zu verschiedenen Parteien gehören. Ich finde, es ist eine Schande.«
Christian und Robert kamen in fröhlicher Stimmung aus Sète zurück. Alles war wie am Schnürchen gegangen, und ein Baby, das während der ersten halben Stunde an Bord zur Welt gekommen war, hatte den Namen Embarcación erhalten. Solche Scherze gefielen Christian ganz besonders.
Robert sagte zu Linda: »Bist du eigentlich nach einem bestimmten Plan vorgegangen, als du die Kabinen verteilt hast, oder wie hast du das gemacht?«
»Warum? War etwas nicht in Ordnung?«
»Es war perfekt. Jeder hatte einen Platz und sah zu, dass er hinkam. Ich habe mich nur gefragt, woran du dich bei der Verteilung der guten Kabinen gehalten hast, das ist alles.«
»Na, ganz einfach«, sagte Linda, »die guten Kabinen hab ich denen gegeben, auf deren Karte auch noch ein Labrador verzeichnet stand, denn als ich klein war, hatte ich selbst mal einen, und er war so ein fantastischer … wirklich süß, weißt du.«
»Aha«, sagte Robert mit gewichtiger Miene, »das erklärt alles. Labrador bedeutet auf Spanisch zufällig Arbeiter. Verstehst du, nach deinem Prinzip (wirklich glänzend, äußerst demokratisch) fanden sich die Landarbeiter alle im Luxus wieder und die Intellektuellen im Laderaum. Es wird ihnen eine Lehre sein, dass sie mit ihrer Schlauheit nicht überall durchkommen. Das hast du sehr gut gemacht, Linda, wir waren dir alle sehr dankbar.«
»Er war so ein süßer Labrador«, sagte Linda träumerisch. »Ich wollte, ihr hättet ihn mal gesehen. Tiere fehlen mir hier wirklich.«
»Dann verstehe ich nicht, warum du nicht versuchst, die sangsue zu kaufen«, meinte Robert.
Zu den Merkwürdigkeiten von Perpignan gehörte auch ein Blutegel in einer Flasche, die im Schaufenster einer Apotheke stand, daneben ein mit der Schreibmaschine geschriebener Zettel: Si la sangsue monte dans la bouteille il fera beau temps, si la sangsue descend – l’orage.
»Das wäre sicher ganz nett«, erwiderte Linda, »aber irgendwie kann ich mir bei dieser sangsue nicht vorstellen, dass sie einen liebgewinnt – den ganzen Tag wegen des Wetters unterwegs, auf und ab, auf und ab – keine Zeit für menschliche Beziehungen.«
16
Linda konnte sich später nicht mehr erinnern, ob es wirklich ein Schock für sie war, und wenn ja, wie sehr, als sie entdeckte, dass Christian sich in Lavender Davis verliebt hatte. Sie hatte überhaupt keine Erinnerung an ihre Empfindungen von damals. Verletzter Stolz war gewiss mit im Spiel, wenn auch vielleicht weniger ausgeprägt, als es bei vielen anderen Frauen der Fall gewesen wäre, denn unter Minderwertigkeitsgefühlen litt Linda kaum. Sie muss erkannt haben, dass sie die vergangenen beiden Jahre, nachdem sie von Tony weggelaufen war, nutzlos vertan hatte – aber war sie zutiefst getroffen? Liebte sie Christian noch? Peinigten sie die gewöhnlichen Qualen der Eifersucht? Ich glaube nicht.
Dennoch, sonderlich schmeichelhaft war seine Wahl nicht. Seit vielen, vielen Jahren, schon seit der Kindheit, schien Lavender alles das zu verkörpern, was die Radletts für besonders unromantisch hielten: Sie war eine begeisterte Pfadfinderführerin und Hockeyspielerin gewesen, kletterte auf Bäume, war die Beste ihrer Schule und ritt im Herrensitz. Sie hatte nie in einem Traum von der Liebe gelebt; dieses Gefühl schien ihr offenbar völlig fern zu liegen, auch wenn sich Louisa und Linda, die einfach nicht glauben konnten, dass jemand ohne ein Fünkchen davon leben konnte, immer wieder Liebesaffären für Lavender ausgedacht hatten – mit der Sportlehrerin an ihrer Schule oder mit Dr. Simpson aus Merlinford (auf den Louisa einen ihrer Nonsense-Verse gemünzt hatte – »Doktor ist er und Beamter an des Richters Tisch, sie liebt ihn, doch er liebt dich«). Seit damals hatte sie eine
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