Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
»Ein fantastischer Hon – sie kommt jeden Tag.«
»Warum gehst du nicht nach Alconleigh?«, fragte ich. »Oder nach Shenley? Tante Emily und Davey würden sich bestimmt freuen, und ich komme auch, sobald Alfred wieder fort ist.«
»Ich werde euch gern einmal besuchen, wenn ich genauer weiß, was vor sich geht, aber im Augenblick muss ich hier bleiben. Sag ihnen liebe Grüße von mir. Ich habe dir so viel zu erzählen, Fanny; was wir vor allem brauchten, wären viele, viele Stunden im Wäscheschrank der Hons.«
Nach langem Hin und Her erlaubten Tony Kroesig und seine Frau Pixie, dass Moira, bevor sie England verließ, ihrer Mutter einen Besuch abstattete. In den Cheyne Walk kam sie mit Tonys Wagen, der immer noch von einem Chauffeur in Uniform, aber nicht der des Königs, gelenkt wurde. Sie war ein unscheinbares, etwas schwerfälliges, scheues kleines Mädchen, das so ganz und gar nichts von den Radletts an sich hatte; oder, um es einmal deutlich zu sagen: Sie war ein richtiges kleines Gretchen.
»Was für ein netter kleiner Hund«, sagte sie linkisch, nachdem Linda ihr einen Kuss gegeben hatte. Moira war sichtlich verlegen. »Wie heißt er?«
»Plon-plon.«
»Oh. Ist das ein französischer Name?«
»Ja. Er ist auch ein französischer Hund, verstehst du?«
»Daddy sagt, die Franzosen seien gemein.«
»Das habe ich mir gedacht.«
»Er sagt, sie hätten uns im Stich gelassen, aber wenn man sich mit solchen Leuten einließe, könnte man auch nichts anderes erwarten.«
»Ja, gewiss.«
»Daddy meint auch, wir sollten zusammen mit den Deutschen kämpfen und nicht gegen sie.«
»Hm. Aber Daddy selbst scheint nicht gerade viel zu kämpfen, soweit ich sehe, weder mit jemandem noch gegen jemanden. Hör mal, Moira, bevor du abfährst, habe ich zwei Dinge für dich, das eine ist ein Geschenk, und dann möchte ich dir noch etwas sagen. Es ist ziemlich langweilig, also bringen wir zuerst das zweite hinter uns, einverstanden?«
»Ja«, sagte Moira teilnahmslos. Sie zog den Hund neben sich auf das Sofa.
»Du sollst wissen«, sagte Linda, »und dir merken (bitte, Moira, hör jetzt mal einen Augenblick auf, mit dem Hund zu spielen, und gib acht, was ich dir sage), dass ich es überhaupt nicht billige, wenn du jetzt davonläufst, ich finde es ganz furchtbar falsch. Wenn man ein Land hat, das einem so viel gegeben hat, wie England uns allen gegeben hat, dann sollte man ihm treu bleiben und sich nicht davonstehlen, wenn es in Schwierigkeiten geraten ist.«
»Aber ich kann doch nichts dafür«, sagte Moira und runzelte die Stirn. »Ich bin doch nur ein Kind, und Pixie bringt mich hin. Ich muss doch tun, was man mir sagt, oder?«
»Ja, natürlich, ich weiß. Aber wenn du könntest, würdest du doch bestimmt lieber hierbleiben, nicht wahr?«, meinte Linda hoffnungsvoll.
»O nein, ich glaube nicht. Es könnte Luftangriffe geben.«
Jetzt gab Linda auf. Ob Kinder an Luftangriffen, wenn sie gerade stattfanden, ihren Spaß hatten oder nicht, war eine andere Frage – aber dass es Kinder gab, die bei dem Gedanken an einen Luftangriff nicht in Begeisterung gerieten, war ihr unbegreiflich, und sie konnte einfach nicht glauben, dass sie ein solches Wesen zur Welt gebracht hatte. Es war nutzlos, mehr Zeit und Worte an dieses unnatürliche kleine Mädchen zu verschwenden. Sie stieß einen Seufzer aus und sagte: »Also gut, warte einen Moment, ich hole dir dein Geschenk.«
In ihrer Tasche hatte sie, in einer mit Samt ausgelegten kleinen Schachtel, eine Korallenhand, die einen Diamantenpfeil hielt. Fabrice hatte ihr die Brosche geschenkt, aber jetzt brachte sie es nicht über sich, so etwas Hübsches an diesen dummen kleinen Feigling zu vergeuden. Sie ging in ihr Schlafzimmer und fand eine Sportarmbanduhr, die sie zur Hochzeit mit Tony geschenkt bekommen und nie getragen hatte. Moira schien sehr erfreut über dieses Geschenk und verließ das Haus ebenso höflich und unbegeistert, wie sie gekommen war.
Linda rief mich in Shenley an und berichtete mir von dieser Unterredung.
»Ich bin so wütend«, schimpfte sie, »ich muss einfach mit jemandem reden. Der Gedanke, dass ich neun Monate meines Lebens ruiniert habe, und dann kommt so etwas dabei heraus! Was halten deine Kinder von Luftangriffen, Fanny?«
»Ich muss leider sagen, sie wünschen sich nichts sehnlicher, und sie sehnen sich auch danach, dass die Deutschen kommen. Den ganzen Tag legen sie im Obstgarten Fallgruben für sie an.«
»Immerhin ein Trost – ich dachte schon,
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