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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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schwarze.
    »Zuerst nimmt man die weiße und dann die schwarze – er sollte wirklich mal zu meinem Arzt gehen.«
    »Ich finde, das Töten sollte man den Deutschen überlassen«, sagte Linda. »Da wird ihr Verbrechen noch größer und ihr Munitionsvorrat kleiner. Warum soll man ihnen denn auch noch den Weg ebnen? Wetten, dass ich wenigstens zwei erledige, ehe sie mich bekommen?«
    »Ach, du bist so stark, Linda, aber für mich gäbe es leider keine Kugel, mich würden sie foltern, du brauchst dir nur anzusehen, was ich in der Gazette über sie gesagt habe.«
    »Das war auch nicht schlimmer als das, was du über uns alle schreibst«, meinte Lord Merlin.
    Davey war für seine Grausamkeit als Literaturkritiker bekannt, ein richtiger Henker, der seine besten Freunde nicht schonte. Er schrieb unter mehreren Pseudonymen, die seinen unverkennbaren Stil aber durchaus nicht verschleierten, und unter seine grausamsten Artikel setzte er den Namen »Little Nell«.
    »Sind Sie länger hier, Sauveterre?«
    »Nein, nur kurz.«
    Linda und Fabrice betraten den Speisesaal. Sie sprachen über dies und das, meistens scherzten sie. Fabrice erzählte ihr, mit einer Fülle unwahrscheinlicher Einzelheiten, Skandalgeschichten über einige andere Gäste, die er seit Langem kannte. Nur einmal kam er auf Frankreich zu sprechen und meinte bloß, der Kampf müsse weitergehen, am Ende würde alles gut werden. Linda musste daran denken, wie anders es bei Tony oder Christian gewesen wäre. Tony hätte sich des Langen und Breiten über seine großen Erfahrungen und die Vorkehrungen für seine Zukunft ausgelassen, und Christian hätte über die Weltlage nach der jüngsten Niederlage Frankreichs monologisiert, über deren wahrscheinliche Auswirkungen auf Arabien und das ferne Kaschmir, darüber, dass Pétain unfähig sei, mit einer so großen Zahl von Flüchtlingen und Vertriebenen zurechtzukommen, und welche Maßnahmen er, Christian, ergreifen würde, wenn er in den Stiefeln des Marschalls steckte. Beide hätten zu ihr genauso wie zu irgendeinem Kameraden aus ihrem Klub gesprochen. Fabrice dagegen sprach nur mit ihr , zu ihr und für sie , und was er sagte, war ganz und gar persönlich, durchsetzt mit Scherzen und Anspielungen, die nur sie beide verstanden. Sie hatte das Gefühl, dass er allen ernsten Themen unbedingt aus dem Weg gehen wollte, weil er sonst unweigerlich auf die Tragik der Lage zu sprechen gekommen wäre, während er doch wollte, dass sie eine glückliche Erinnerung an seinen Besuch zurückbehielt. Aber er erweckte zugleich auch einen Eindruck von grenzenlosem Optimismus und großer Zuversicht, der in dieser dunklen Zeit sehr aufmunternd wirkte.
    Früh am nächsten Tag, wieder war der Morgen warm und sonnig, hatte sich Linda in die Kissen zurückgelehnt und sah Fabrice beim Anziehen zu, wie sie es in Paris so oft getan hatte. Wenn er sich die Krawatte knotete, machte er eine ganz bestimmte Grimasse, die sie in den vergangenen Monaten fast vergessen hatte, und plötzlich sah Linda ihr gemeinsames Leben in Paris wieder deutlich vor sich.
    »Fabrice«, sagte sie, »glauben Sie, dass wir je wieder zusammenleben werden?«
    »Aber selbstverständlich, Jahre und Jahre und Jahre lang, bis ich neunzig bin. Ich bin außerordentlich treu veranlagt.«
    »Aber gegen Jacqueline waren Sie nicht treu.«
    »Ach – Sie wissen von Jacqueline, ja? La pauvre, elle était si gentille – gentille, élégante, mais assomante, mon Dieu! Enfin, ich war ihr ungeheuer treu, und es dauerte fünf Jahre, das ist bei mir immer so (entweder fünf Tage oder fünf Jahre). Aber da ich Sie zehn Mal mehr liebe als die anderen, läuft es auf neunzig hinaus, und dann, j’en aurai tellement l’habitude …«
    »Und wie bald werde ich Sie wiedersehen?«
    »On fera la navette.« Er trat ans Fenster. »Es kam mir vor, als hätte ich einen Wagen gehört – ah ja, da wendet er gerade. So, ich muss gehen. Au revoir, Linda.«
    Höflich, fast geistesabwesend, als wäre er schon ganz woanders, küsste er ihre Hand und verließ das Zimmer. Linda trat ans offene Fenster und lehnte sich hinaus. Gerade bestieg er ein großes Automobil mit zwei französischen Soldaten in der Führerkabine und der Fahne des Freien Frankreich auf der Kühlerhaube. Als es sich in Bewegung setzte, blickte er nach oben.
    »Navette, navette …!«, rief Linda mit einem strahlenden Lächeln. Dann legte sie sich wieder ins Bett und weinte sehr lange. Linda war bei diesem zweiten Abschied völlig

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