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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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verzweifelt.

20
    Jetzt begannen die Luftangriffe auf London. Anfang September fiel eine Bombe in den Garten von Tante Emilys Haus in Kent, kurz nachdem ich mit meiner Familie dorthin gezogen war. Es war eine kleine Bombe, verglichen mit denen, die später kamen, und keiner von uns wurde verletzt, doch das Haus war ziemlich stark beschädigt. Tante Emily, Davey, meine Kinder und ich suchten nun Zuflucht in Alconleigh, wo uns Tante Sadie mit offenen Armen aufnahm und sich erbot, uns bis zum Ende des Krieges zu beherbergen. Louisa hatte sich mit ihren Kindern schon eingefunden. John Fort Williams war zu seinem alten Regiment zurückgekehrt, und ihr Haus in Schottland hatte die Navy übernommen.
    »Je mehr, desto munterer«, meinte Tante Sadie. »Ich habe das Haus gern voll, bei den Lebensmittelzuteilungen bringt es übrigens auch Vorteile, und für eure Kinder ist es doch schön, wenn sie zusammen aufwachsen, wie in alten Zeiten. Jetzt, wo die Jungen fort sind und Victoria bei den Marinehelferinnen ist, würden Matthew und ich so ganz allein doch nur trübsinnig werden.«
    Die Säle von Alconleigh waren mit den Sammlungen irgendeines naturkundlichen Museums vollgestellt. Einquartierungen von Evakuierten hatte es nicht gegeben, wahrscheinlich hatte man geahnt, dass die Kälte dieses Hauses niemandem zugemutet werden konnte, der unter diesen harten Lebensbedingungen nicht auch aufgewachsen war.
    Aber bald vergrößerte sich unsere Gruppe auf eine völlig unerwartete Weise. Ich war gerade oben im Kinderbadezimmer und wusch irgendetwas für Nanny, knauserte dabei in kriegsbedingter Sparsamkeit mit den Seifenflocken und wünschte mir, das Wasser in Alconleigh möge nicht so schrecklich hart sein, als Louisa hereinplatzte.
    »Du errätst in tausend Jahren nicht, wer eben angekommen ist«, sagte sie.
    »Hitler«, erwiderte ich albern.
    »Deine Mutter, Tantchen Hopse. Eben kam sie die Auffahrt herauf und ist ins Haus gegangen.«
    »Allein?«
    »Nein, mit einem Mann.«
    »Mit dem Major?«
    »Wie ein Major sieht er nicht aus. Er hat ein Musikinstrument dabei und ist sehr schmutzig. Komm, Fanny, lass die Sachen erst mal einweichen …«
    Tatsächlich. In der Halle saß meine Mutter, trank einen Whisky-Soda und erzählte mit ihrer zwitschernden Stimme, unter welchen unglaublichen Abenteuern sie von der Riviera geflüchtet war. Der Major, mit dem sie jahrelang zusammengelebt hatte und der die Deutschen schon immer mehr geschätzt hatte als die Franzosen, war geblieben, um zu kollaborieren, und der Mann, der meine Mutter jetzt begleitete, war ein schurkenhaft aussehender Spanier namens Juan, den sie unterwegs aufgelesen hatte und ohne den sie, nach ihren Erzählungen, nie aus diesem schauderhaften Internierungslager in Spanien entkommen wäre. Sie sprach einfach über ihn hinweg, so als sei er gar nicht anwesend, was recht seltsam und sogar äußerst peinlich wirkte, bis uns klar wurde, daß Juan nur Spanisch sprach und kein einziges Wort in irgendeiner anderen Sprache verstand. Er saß da, starrte Löcher in die Luft, hielt seine Gitarre umklammert und stürzte den Whisky in großen Schlucken hinunter. Wie die beiden zueinander standen, war offenkundig, Juan war ohne Zweifel (sogar Tante Sadie zweifelte keinen Augenblick daran) der Liebhaber der Hopse, ohne dass die beiden imstande gewesen wären, irgendwelche Worte auszutauschen, denn Sprachtalent besaß meine Mutter ganz und gar nicht.
    Jetzt erschien auch Onkel Matthew, und die Hopse begann mit der Erzählung ihrer Abenteuer noch einmal von vorn. Onkel Matthew sagte, er sei hoch erfreut, sie zu sehen, und hoffe, sie werde so lange bleiben, wie es ihr gefalle, richtete sodann seine blauen Augen auf Juan und warf ihm einen höchst furchterregenden, unnachgiebigen Blick zu. Tante Sadie winkte ihn hinaus ins Geschäftszimmer, redete dort flüsternd auf ihn ein, und schließlich hörten wir ihn sagen: »Na gut, aber nur ein paar Tage.«
    Ganz außer sich vor Freude beim Anblick meiner Mutter war der gute, alte Josh.
    »Wir müssen Ihre Ladyschaft wieder aufs Pferd bekommen«, sagte er und pfiff dabei vor Freude durch die Zähne.
    Meine Mutter war schon seit drei Ehemännern (oder vier, wenn man den Major mitzählte) keine Ladyschaft mehr, aber Josh nahm keine Notiz davon, für ihn würde sie immer Ihre Ladyschaft bleiben. Er fand ein Pferd, das in seinen Augen ihrer zwar nicht würdig, aber immerhin auch keine absolute Niete war, und schon eine Woche nach ihrer Ankunft jagte sie mit

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