English Cooking
eingetrockneten Ränder noch mal aufgetragen werden.
Leider ist für den Durchschnittsengländer heutzutage der Nachmittagstee eher ein unbeschreibliches Gebräu, das aus einer Maschine am Ende des Büroflurs kommt. Wie das English Breakfast hat auch der Nachmittagstee seinen angestammten Platz im täglichen Leben verloren und besteht eigentlich nur noch als amüsante Erinnerung an die Vergangenheit fort.
»Der Afternoon Tea ist ein Dinosaurier«, sagte mir John Morgan, der bis vor seinem tragischen Tod im Jahr 2000 Kolumnist für Bräuche und Sitten bei der ›Times‹ war. Er existiert jedoch weiter für jene treuen Anhänger, die Zeit dafür haben. Der ultimative Tempel des Nachmittagstees ist der Palm Court (Palmenhof) des »Ritz« in London.
In der Mitte dieses wunderschönen ovalen Saals im Stil der Belle Époque steht ein kunstvoller Brunnen mit einer lebensgroßen goldenen Nymphe und Tritonen, die in Muschelhörner blasen. Die elegante Glasdecke und die Lüster sorgen für ein aprikotfarbenes Licht, das der Hotelgründer César Ritz nach langem Experimentieren als am schmeichelndsten für den weiblichen Teint herausfand. Hier, umgeben von vergoldetem Gitterwerk und blinkenden Spiegeln in Goldrahmen, kann mansich leicht in das gesellschaftliche Treiben zur Glanzzeit des »Ritz« im Edwardianischen Zeitalter zurückversetzen, als das Hotel einer der Orte war, den junge Damen aus gutem Hause ohne Anstandsdame aufsuchen durften. Hier lernte auch ich eines Tages beim Vier-Uhr-Tee vom Hohepriester selbst, von Michael Bentley, dem kosmopolitischen Botschafter des Hotels und der weltweit unangefochtenen Autorität auf diesem Gebiet, wie der perfekte Nachmittagstee serviert wird.
Tee, so erklärte er mir, beginne immer mit Sandwiches. Es ist nicht erlaubt, sich an Scones oder Keksen gütlich zu tun, bevor man nicht den ersten Hunger mit diesen gestillt hat. Ganz nebenbei verdanken wir die Sandwiches einem weiteren Aristokraten. Der vierte Earl of Sandwich, ein Staatsmann des 18. Jahrhunderts mit einem ausschweifenden Privatleben, war ein so leidenschaftlicher Spieler, dass er wie angewachsen Tag und Nacht am Spieltisch saß, zu sehr beansprucht, als dass er sich um Nebensächlichkeiten wie Essen hätte kümmern können. Es heißt, eines Abends sei sein Hunger so unerträglich geworden, dass er seinen Diener rufen ließ und ihn etwas besorgen schickte. Der Diener kehrte mit Rindfleischscheiben zwischen zwei Brotschnitten zurück, die der Earl weiterspielend fröhlich verspeiste. Er gewann in jener Nacht 10 000 Pfund (was nach heutigem Kurs etwa 30 000 DM entspricht, damals aber natürlich deutlich mehr wert war). Sofort begann das Sandwich seinen unaufhaltsamen Aufstieg zur wahrscheinlich vielseitigsten, abwechslungsreichsten und am besten zu transportierenden Form der Nahrung, die jemals erfunden wurde. (Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass – nachdem schon länger Rindfleisch gebraten und Brot gebacken wurde – auch andere Leute bereits auf den Gedanken gekommen waren, die beiden zusammenzubringen. Aber da Snobismus ein starker Trendsetter ist, blieb dem vierten Earl der Ruhm, diesen Trend erfunden zu haben.)
Die Sandwiches im »Ritz« sind winzig, nur 2 mal 2 Zentimeter groß – Mr Bentley ließ mich nachmessen. Denn das ist genaudie richtige Größe für zwei elegante Bissen. Es gibt dunkles Brot, Weißbrot und mit Tomaten aromatisiertes zur Auswahl. Die Ränder sind selbstverständlich abgeschnitten, und zwischen den zwei köstlichen Brotscheiben stößt man auf eine Vielfalt ebenso köstlicher Füllungen. Nur eine Zutat ist zwingend. »Es muss immer Gurke dabei sein«, betont Mr Bentley. Sie schmeckt gut, ist knackig und hält das Brot feucht. Weitere Zutaten sind Räucherlachs, Lachs-Mousse, Eier und Kresse, Frischkäse mit gehacktem Schnittlauch oder Schinken. Anbei finden Sie ein paar Vorschläge für Sandwiches aus dem »Ritz«, dem ich viele Rezepte in diesem Kapitel verdanke. Wenn Sie dunkles Brot verwenden, achten Sie auf eine feine Krume und einen nicht zu dominanten Geschmack.
Cucumber Sandwiches (Gurken-Sandwiches)
Schälen Sie eine Gurke und schneiden Sie sie mit einem Hobel oder einem Kartoffelschäler in ganz feine, durchsichtige Scheiben. Darauf geben Sie ein paar Tropfen Essig und etwas Salz. Nach einer halben Stunde können Sie den ausgetretenen Gurkensaft entfernen, indem Sie die Scheiben in ein Sieb geben und leicht schütteln.
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