Engpass
gefunden. Sicher wissen Sie von dem Fall. Frau Maihauser ist vor 20 Jahren plötzlich spurlos verschwunden und nie wieder aufgetaucht.«
Aurelia lächelt sanft. »Davon habe ich gehört. So etwas Grauenhaftes lässt sich ja auch nicht verbergen. Eine schlimme, ganz schlimme Sache. Mein Mann und ich waren noch nicht lange verheiratet, als es passierte. Wir hatten uns in New York kennengelernt. Ich bin Vietnamesin, habe aber in New York gelebt und gearbeitet und dort hat sich mein Mann in mich verliebt.« Frau Bramlitz macht eine Pause, als wolle sie sich davon überzeugen, dass ihre Offenheit gebührend gewürdigt wird.
Elsa ist in ihr Gesicht vergraben. Sie ist fasziniert von der Frau, die ihr gegenübersitzt. »Und Sie?«, will sie jetzt wissen. »Haben Sie sich ebenfalls verliebt?«
»Natürlich!« Ohne Übergang kommt Aurelia Bramlitz zum Wesentlichen. Sie schiebt sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Ich war sogar sehr verliebt. Aber dann hatte mein Mann eine Affäre mit Frau Maihauser. Nein, lassen Sie es mich anders sagen«, merkt sie an. Sie zögert. »Ich habe es falsch ausgedrückt. Dann bemerkte ich, dass mein Mann eine Affäre mit Frau Maihauser hatte. Das ging über Monate. Immer öfter blieb er über Nacht weg, tischte mir fadenscheinige Lügen auf.« Aurelia entfährt ein tiefes Seufzen. »Wir Asiatinnen sehen, bevor etwas offensichtlich ist, und hören, bevor ein Ton erklingt.«
Elsa beobachtet, wie Aurelias Gesicht völlig gleichgültig bleibt, während sie vom Seitensprung ihres Mannes erzählt, den sie eigenen Angaben zufolge liebt.
»Sehr philosophisch ausgedrückt, Frau Bramlitz.«
»Tja, und dann war Silke Maihauser plötzlich verschwunden. Mein Mann hat sehr darunter gelitten.«
»Und Sie?«, Elsa zögert. Mit so viel schonungsloser Offenheit hat sie nicht gerechnet und äußerst selten zu tun.
»Ich war erleichtert. Sehr erleichtert. Ich hatte meinen Mann zurück.« Elsa schluckt und erwidert Frau Bramlitz’ Lächeln, das wie das einer Buddhafigur aussieht. Entrückt und weise.
Als sie mit Aurelia Bramlitz fertig ist, macht sie sich auf die Suche nach Degenwald. Doch anstatt ihn aufzuspüren, nimmt sie einen Anruf entgegen, als ihr Handy klingelt.
»Hältst du mich für einen völligen Idioten, dass du mich im Wald stehen lässt?«, hört Elsa ihren Mann ins Telefon schreien.
Sie hält das Handy mehrere Zentimeter vom Ohr weg. Hartmuts Stimmbänder arbeiten auf Hochtouren.
»Heute Abend reden wir, Hartmut«, sagt sie bestimmt und legt auf.
Am hinteren Ende des Ganges erscheint Degenwald und winkt ihr zu.
Elsa steckt ihr Handy zurück in die Tasche und geht ihm entgegen.
»Scheiße! Was soll ich denn jetzt tun?«, Anna liegt rücklings auf ihrem Bett und telefoniert.
»Er hat wirklich noch nie Sex gehabt?«, will ihre Freundin am anderen Ende wissen und kichert dabei. »Das ist ja irre. Total irre, wenn du mich fragst.«
»Ist es etwa ein Verbrechen, noch keinen Sex gehabt zu haben?« Anna hat sich entschlossen, Lars zu verteidigen.
»Er ist 18. Da spielt man nicht mehr im Sandkasten, sondern mit Mädels rum«, findet Beate.
»Na und? Er hat die Richtige eben noch nicht gefunden.«
»Braucht man die Richtige, um Sex auszuprobieren, wenn man ein Mann ist?«
Anna wird es langsam zu viel. »Ach, lass mich doch in Ruhe. Ciao!« Sie drückt die Aus-Taste und wirft das Handy unwirsch aufs Bett. »Blöde Tussi!«, schimpft sie vor sich hin.
Einen Moment lang bleibt sie einfach liegen und rührt sich nicht, dann greift sie sich ihr Handy wieder und ruft Lars’ Nummer ab. Als die Verbindung hergestellt wird, drückt sie auf Aus.
»Scheiße!«, murmelt sie schon wieder. »Scheiße!
Scheiße! Scheiße!«
Erneut landet das Handy auf dem Bett und Annas Arme vor ihrem Gesicht.
Elsa sucht mit Degenwald den Supermarkt ab, legt Tomaten, Rindergehacktes, Zwiebeln und Knoblauch in den Einkaufswagen.
»Bramlitz war erstaunlich kooperativ. Er hat gleich zugegeben, dass er ein Verhältnis mit Silke Maihauser hatte«, erzählt Degenwald, während er an den Kühlgerichten vorbeigeht.
»Der Mann ist einfach nur klug.« Elsa greift nach den Fünf-Minuten-Bandnudeln und wirft sie in den Wagen. »Er weiß genau, dass er einen Fehler macht, wenn er es abstreitet.«
»Ich bekomme Hunger, wenn ich Sie einkaufen sehe.« Degenwald starrt auf die Zutaten für Spaghetti Bolognese.
»Ich bin weder eine Superköchin noch lade ich Sie zum Essen ein. Sie verpassen also nichts,
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