Engpass
Dr. Degenwald.«
»Sie haben wirklich eine erfrischende Art, Frau Wegener.« Degenwalds Gesicht wirkt auf einmal finster. Er ist genervt.
»Mein Mann ist plötzlich aufgetaucht und bleibt über Nacht.« Elsa tut es leid, dass sie so grob war.
»Ach so«, sagt Degenwald. »Sie sind verheiratet?«
»Und Sie?«
Degenwald zuckt mit der Schulter. »Ich war mit einer Frau zusammen, das schon, aber es hat nicht geklappt.«
»Schade.«
»Das fand ich damals auch.«
»Und jetzt? Was finden Sie jetzt?« Elsa rollt ihren Wagen Richtung Kasse.
»Jetzt finde ich, dass ich mich darum kümmern sollte, nicht zu verhungern. Vielleicht gehe ich heute Abend zum Italiener, esse einen Vorspeisenteller mit Meeresfrüchten und hinterher Spaghetti Vongole.«
Elsa nickt. »Vergessen Sie die Profiteroles als Nachspeise nicht.«
Elsa hört es in der Küche poltern, als sie in den Flur kommt, die Tüten auf dem Boden abstellt und sich die Jacke auszieht. Hartmut hat sie gehört, erscheint in der Diele, schnappt sich die Einkäufe und schlurft damit Richtung Küche. In dem Moment klingelt Elsas Handy. Es ist Fred Maihauser, der wissen will, wann die Leiche seiner Frau freigegeben wird.
»Es wird noch ein bisschen dauern, Herr Maihauser«, erklärt Elsa. Dann lässt sie Maihausers Wortschwall über sich ergehen. »Natürlich versuchen wir, auf Ihre zweite Frau Rücksicht zu nehmen«, verspricht Elsa. »Ich kann mir vorstellen, dass das alles nicht leicht für Sie ist. Trotz allem muss ich Sie so schnell wie möglich sprechen. Ja, am besten morgen. Zehn Uhr? Ja, das passt. Wiederhören.«
Elsa seufzt, legt das Handy auf die Kommode und geht in die Küche, wo sie von Annas Strahlen überrascht wird. »Papa ist da!«, überschlägt sie sich, als wisse Elsa es noch nicht.
Elsa nickt nur, packt schweigend die Einkäufe aus, gießt Olivenöl in eine Pfanne und gibt das Rindfleisch ins heiße Fett. Sie stellt den Dunstabzug an, weil es ordentlich spritzt.
»Schneidest du die Zwiebeln, Anna?«
Anna nimmt sich ein viel zu kleines Messer und beginnt, Schalotten in verschieden große Stücke zu schneiden.
»Du musst sie kleiner schneiden, Anna. Sonst wird es zu grob und schmeckt nicht.«
»Musst du immer so genau sein?«
Eine halbe Stunde später sitzen sie bei Tisch und essen. Anna albert mit ihrem Vater herum. Sie schnappt ihm den Parmesan vom Teller und stopft ihn sich in den Mund.
»Wolltest du etwa auch Parmesan, Papa?«, fragt Anna scheinheilig.
Später erfährt Elsa, dass Hartmut die ganze Zeit über im Wohnzimmer gesessen und die Tageszeitung gelesen hat.
»Ein Seitensprung ist kein Grund, gleich alles hinzuschmeißen.«
»Für mich ist es Grund genug. Außerdem handelt es sich nicht nur um eine Affäre. Wenn ich da mitgezählt hätte …«
»Sei nicht geschmacklos«, verlangt Hartmut.
Elsa verschränkt die Arme vor den Knien, sagt aber nichts mehr.
»Du bist wie ein kleines Kind«, wirft er ihr vor. »Siedelst dich in diesem Kaff an. Hast du auch mal an Anna gedacht? Die geht hier ein. In ihrem Alter braucht man Abwechslung, junge Leute, eine Diskothek. Und du? Willst du hier noch mal von vorn anfangen? Zwischen Kühen und Schweinen? Für mich sieht das nach Flucht aus. Das kleine Mädchen verkriecht sich unter der Decke.«
»Na und?«, bricht es aus Elsa heraus. »Manchmal bin ich auch verletzbar und anlehnungsbedürftig, möchte gehalten werden.« Ihre Stimme klingt brüchig. »Von dir, Hartmut!«
Hartmut schaut seine Frau irritiert an, zögert einen Moment, steht auf, kommt auf sie zu und macht eine Geste der Umarmung. Elsa schreckt zurück. Ihr Blick reicht, um Hartmut vor ihr stehen zu lassen, unverrichteter Dinge.
»Es gibt Momente, in denen einem klar wird, dass es zu spät ist, auch wenn man es anders haben möchte.« Elsas Stimme klingt ausgebrannt.
Endlich verrät auch Hartmuts Stimme eine kleine Unsicherheit, eine menschliche Regung hinter seinen Vorwürfen und seinem Zorn. Er schaut sie mit offenem Blick an und Elsa spürt, dass sie sich seit langer Zeit zum ersten Mal wieder nah sind.
»Weißt du noch, wie schön es war, als Anna zur Welt kam?«, flüstert Hartmut in die Stille hinein, die von ihnen Besitz ergriffen hat. »Wir waren überglücklich.«
»Ja. Das waren wir«, erinnert sich Elsa. »Wir haben auch lange genug auf dieses Kind gewartet.«
Sie weiß, dass es kein Zurück gibt.
5. Kapitel
Elsa fühlt sich unerwartet energiegeladen, als sie am Morgen ihr Büro betritt, trotz der
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