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Engpass

Engpass

Titel: Engpass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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Universen. Glaubt man.«
    »Bloß keine Ausschweifungen«, verlangt Anna. Sie hat mehr als genug gehört. »Erklär mir nur, was es mit diesem Katzenzeug auf sich hat. Damit wär mir schon geholfen.«
    »Wenn du mir dafür ein Date versprichst, mach ich’s.« Jetzt scheint Dinos Röte richtig aufzublühen.
    Anna, die vor ihm die Treppe raufgeht, dreht sich um. Ihr Gesicht zeigt Verunsicherung, aber auch Respekt wegen seines Mutes.
    »Soll das ein Erpressungsversuch sein?«
    »Voll daneben! Flirten nenn ich das. Sauber flirten. Oder stehst du nicht auf Typen, die dich hammerstark finden? Mich, um genau zu sein.«
    Anna verschlägt es die Sprache. Ihr Gesicht scheint einen Augenblick einzufrieren. Verkommt zur emotionslosen Wüste. Dann prustet sie einen Lacher heraus, der Wände zum Erzittern bringen könnte. Sie lacht, weil in ihrem Leben alles dermaßen verrückt abläuft, dass es schon wieder geil ist. Der, den sie tierisch mag, Lars, hat sie bis ins Herz getroffen. Aus, vorbei. Für alle Zeiten. Nach all dem hat sie sich schon tot geglaubt. Tot wie Schrödingers Katze. Und jetzt, plötzlich, steht einer hinter ihr, mit Akne im Gesicht, der ihr zuliebe Hochdeutsch spricht. Dieser Junge, den sie nicht will, der wirbt um sie, spricht Klartext, auch wenn man ihm das niemals zutrauen würde. Anton Maihauser, der sich Dino nennt, weil er sonst so was von uncool wirken würde. Was heißt wirken würde?, stellt Anna fest. Er ist uncool, da nützt auch keine Namensänderung. Er bleibt, was er ist. Uncool und noch mal uncool. Zumindest optisch gesehen. Sein Charakter, gut, der war erste Sahne. So was von Superbleifrei vollgetankt. Wow! Das muss Anna ehrlicherweise zugeben.
    Und so steht sie da. Nichts zu tun, außer auf der Treppe festgewachsen sein. Frisch von Lars entliebt. Herz gebrochen. Was da in ihr wütet, hat sie noch nicht festgestellt. Fast so, als setze sich etwas erneut zusammen. Teil für Teil. Diesmal richtig. Vermutlich. Ob das ihr Herz war? Und wenn ja, war sie dann verpflichtet, die Anleitung dazu zu liefern?
    Annas Gedankenfilm wird von Dinos Worten unterbrochen. »Schrödingers Katze ist ein Gedankenexperiment, das besagt: In einem geschlossenen Raum befindet sich ein instabiler Atomkern, der nach bestimmter Zeit mit einer angenommenen Wahrscheinlichkeit zerfällt. Der Zerfall des Atomkerns setzt Giftgas frei, das eine im Raum befindliche Katze tötet. Jetzt pass auf: Gemäß der Quantenmechanik befindet sich der Atomkern schließlich im Zustand der Überlagerung. Er ist noch nicht zerfallen und zerfallen gleichzeitig. Also wäre auch die Katze lebendig und tot zugleich. Wenn die Quantenphysik auf makroskopische Systeme anwendbar wäre.«
    Anna fasst sich an den Kopf und stöhnt laut. »Wenn der nächste Physiktest ansteht, kannst du mir dann von irgendwoher soufflieren?«

     
    Degenwald schlägt die Beine übereinander und rezitiert Friedrich Schiller. »›Und setzet ihr nicht das Leben ein, nie wird euch das Leben gewonnen sein!‹ Hochphilosophisch, nicht wahr?«, stellt er fest. »Man sagt, es gebe nur wenige Menschen, die den tatsächlichen Inhalt dieser Worte verstünden. Könnte das ein Satz für Sie sein, Frau Leiner? Haben auch Sie alles, einfach alles eingesetzt, um ein Leben zu gewinnen? Das von Fred Maihauser? Für sich?«
    Birgit Leiner sitzt schulterzuckend vor ihm. Weiß nicht, was dieses hochgestochene Gerede soll. Ihr Körper drückt Anspannung aus. Ihr Blick offensichtlich zur Schau gestelltes Desinteresse. Aber das Innere ihrer Augen ist hellwach. Wie ein Luchs auf der Lauer.
    Elsa, die die Situation durch den Einwegspiegel verfolgt, registriert, dass Birgits Hände zu Fäusten geballt sind. Sie hat sie unter der Stuhlkante versteckt. Einem Eisberg gleich hockt sie da, Degenwald vis-à-vis. Der ist noch immer die Ruhe selbst. Die Liebe, das sei ein Thema, mit dem auch er sich auskenne, gesteht er Birgit ein. Sie wisse ja, dass seine Eltern ermordet wurden. Lange her sei das. Aber die Wunde, die wüte noch immer in ihm. In beschissen regelmäßigen Abständen. Dafür hasse er sein Leben manchmal.
    »Ermordet!«, wiederholt Birgit verächtlich. ›Ermordet‹ sei ein großes Wort. Viel zu groß manchmal. Jetzt ist sie milde. Es gebe so viele andere Wörter. ›Aushauchen‹. Sinnloses, Lebensunwertes aushauchen, um Wichtigeres oder Wichtigere zu schützen. Das gefalle ihr besser.
    Ja, das gebe es natürlich auch. Je nach Perspektive, bestärkt Degenwald sie. Er hat sich völlig

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