Engpass
sie will. Aber tun Sie’s schnell.«
Degenwald legt kurz seine Hand auf Elsas Schulter und macht sich frei. »Ihr Wort ist mir Befehl«, sagt er und geht lockeren Schrittes davon. Gerade so, als halte er eine Verabredung zum Tanzen ein.
»Was ich oben am Taubensee gefunden habe, wissen Sie ja«, gibt Elsa ihm mit auf den Weg. »Den Rest besorgt uns Ben. Aber einlochen, das ist Ihr Part.«
»Stopp!« Degenwald dreht sich noch mal um. Mit dem Zeigefinger fixiert er den Mittelpunkt ihres Körpers. »Ich erledige das Vorspiel. Wenn das geklappt hat, kommen Sie dazu. Unser erster gemeinsamer Fall verdient zumindest einen Ansatz von Teamwork.«
Elsa nickt. Das, was Degenwald da anspricht, hat sie viel zu lange aus dem Blickfeld verloren.
»Sehen Sie es als eine Art Aufforderung zum Tanz an«, beschreibt er seinen Vorschlag.
»Tanzen?« Elsas Stirn zieht sich erneut in unschöne Falten. »Das hätten Sie wohl gern! Da führt doch immer der Mann.«
»Die Rolle teilen wir uns. Versprochen! Schließlich sollen Sie auch was davon haben.«
Elsas Grinsen legt zwei makellose Zahnreihen frei. Ein Anblick, den ihr Kollege leider Gottes nicht mehr mitkriegt.
Ben hat in der Hütte am Taubensee nichts Brauchbares gefunden, außer den seltsamen Hinweisen, die sich – mit etwas Glück – zu Indizien ausbauen ließen. Fingerabdrücke von Birgit, alter Plunder, Müll, Dreck, sonst gab es nichts für ihn zu holen. Natürlich lag Elsa richtig mit ihrer Vermutung. Wenn man Birgits Reich begutachtet, lässt alles darauf schließen, dass sie die Mörderin von Silke Maihauser sein könnte. An entsprechenden Gedanken fehlt es der Haushälterin garantiert nicht. Nur, eine Tat ist erst eine Tat, wenn sie auch ausgeführt und bewiesen worden ist. Elsa hat also alle Hände voll zu tun, Birgit Leiner den Mord an Maihausers Frau nachzuweisen. Ein Geständnis, das braucht sie. Alles andere ist nach 20 Jahren, die der Mord bereits auf dem Buckel hat, wohl nicht realisierbar.
Bevor er Elsas Handy einsteckt, löscht Ben mehrere SMS, die er ihr geschickt hat.
Anna sitzt mit gequältem Gesichtsausdruck über den Hausaufgaben. Physik! Welcher halbwegs normal veranlagte Mensch konnte schon etwas mit Physik anfangen?, grübelt sie. Schrödingers Katze. Was hat das nun wieder zu bedeuten? Eine Katze in einem Gefäß oder einer Schachtel kann gleichzeitig tot und lebendig sein. Anna steht auf und tigert durchs Zimmer, um nach ihrem iPod zu suchen, den sie im Rucksack hat. Mit cooler Musik ist der ganze Schwachsinn sicher besser auszuhalten. Unten klingelt es an der Tür. Anna ist froh, Physik Physik sein lassen zu können, und schlendert die Treppe hinunter.
Als sie öffnet, steht Dino vor ihr. Sie lächelt ihn an, erleichtert über die Ablenkung. Dino steigt die Schamröte ins Gesicht. Wieder mal.
»Komm rein«, schlägt Anna vor. »Wir haben noch gar nicht auf den sensationellen Fund von gestern angestoßen.«
»Du meinst deine Mutter?«
»Klar, wen sonst? Danke übrigens, dass du die ganze Zeit über dabei warst. Jede Person mehr hat dem Wald den Gruseleffekt entzogen«, meint Anna eine Spur triumphierend.
»Wär ja auch echte Vergeudung gewesen, wenn deine Mutter im Gebirge krepiert wäre.«
»Hey, was für’n krasser Typ bist du eigentlich? Hast du dir in der Videothek zu viele Horrorfilme reingezogen, oder was?« Anna schüttelt den Kopf, lacht aber dabei.
»Du magst doch Scherze. Hast du zumindest angedeutet«, versucht Dino einzulenken.
»Ja klar, logisch. Sag mal, kannst du was mit Schrödingers Katze anfangen?«
Dino muss nicht lange überlegen und nickt.
»Dann komm mal mit. Ich brauche so was von dringend Hilfe.« Anna hat den Weg in den Flur freigegeben. »Irgendwie erschließt sich meinen Gehirnzellen nicht, dass man gleichzeitig tot und lebendig sein kann.«
»Erwin Schrödinger ist geil. Supergeil. Der hat sogar den Nobelpreis kassiert. 35 oder so«, erklärt Dino schwer beeindruckt. »Ich hab ›Die gegenwärtige Situation der Quantenmechanik‹ gelesen. Weiß du, dass in der modernen Interpretation der Quantentheorie eine hypothetische Erweiterung unseres Universums angenommen wird?«
Anna starrt Dino sprachlos an. »Willst du mich verarschen?«
»Keine Sekunde. Unser aktueller Kosmos ist Teil eines umfassenden Multiversums, das aus einer ungeheuren Anzahl von unterschiedlichen, parallelen Universen besteht. Nur, leider besteht keine direkte Wechselwirkung, irgendeine Art Austausch zwischen den
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