Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engpass

Engpass

Titel: Engpass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
Vom Netzwerk:
Messer, ihren Rücken berührt. Es hat sich in sie hineingefressen. Fast ohne Mühe.«
    Hannes Schlucken wird lauter. Sie nimmt dankbar das Glas an, das Degenwald ihr hinhält.
    »Trink einen Schluck«, sagt er.
    Sie trinkt ungeschickt.
    »Erzähl mir, wie es danach weiterging«, hilft Degenwald nach.
    »Ich hab das Messer nicht aus der Hand gelassen und es gleich aus ihr rausgezogen. Es ging ganz schnell. Dann bin ich gerannt. Raus aus diesem Haus, weg von den schrecklichen Gesprächen. Aurelia hat nicht geschrien. Sie hat überhaupt nichts gemacht. Mich noch nicht mal angesehen.«
    »Du bist aus dem Haus? Wohin?«
    »In meinen Wagen und losgefahren. Ziellos herumgeirrt. Irgendwann, keine Ahnung, wann das war, nach Hause.«
    »Was hast du mit dem Messer gemacht?«
    »Ich hab’s gesäubert. Dann bin ich wieder in den Wagen und hab’s irgendwo weggeworfen.« Hanne schaut Degenwald Hilfe suchend an. »Ich konnte es nicht im Haus lassen. Ich hab immer nur sie gesehen. Ich wollte nur, dass es weg ist. Weg aus meinen Augen.«
    »Kannst du dir vorstellen, wie Anong, ich meine Aurelia, zu Tode gekommen ist? Was danach passierte? Als du das Haus verlassen hast?«
    Hanne schüttelt müde den Kopf.
    »Was danach passiert ist, geht mich nichts an.«
    Nach diesem Satz ist es still zwischen ihnen. Degenwald sortiert seine Gedanken. Er muss Elsa Wegener anrufen. Wenn sie bei Bramlitz ist, muss sie darüber informiert sein, was Hanne gerade gestanden hat.
    »Was wird mit Dino geschehen?« Hanne Maihauser zögert und fragt schließlich weiter. Ihre Frage dringt tief in Karl Degenwalds Herz. »Muss eine Mutter lange ins Gefängnis?«

22. Kapitel
    ›Das höchste Gut ist menschliche Zuwendung‹, steht auf dem Kalenderblatt über Götz Bramlitz’ Schreibtisch.
    Der blaue Anzug liegt bereit. Im Vorzimmer, auf dem Weg zu seinem großräumigen Büro, wartet er auf weitere Verwendung. Der Anzug ist ein Geschenk an Michael Horn, den Gerichtsmediziner, der Blut und Kohlenmonoxydspuren von Aurelia Bramlitz, die als Anong starb, daran feststellen wird. Sicher auch Speichelreste.
    Götz Bramlitz sitzt, in Schwarz gekleidet, über ein Blatt Papier gebeugt und schreibt:
    ›Wo man den freien Willen sucht,
    findet man eine Kette verhängnisvoller Gedanken.
    Aus diesen Gedanken besteht der Geist.
    Sie sind es, die das Universum gestalten.
    Und das Schicksal jedes Einzelnen.
    So auch meines!‹
    Bramlitz legt die Füllfeder zur Seite und greift nach etwas anderem. Etwas, das ebenso wie das Schreibutensil auf seine Verwendung wartet.
    Das Unglück treibt mit der anzunehmenden Schnelligkeit der apokalyptischen Reiter auf ihn zu.
    Im Grunde ist er längst tot. Um genau zu sein, seit dem Tag, an dem er das Leben seiner Frau Anong aushauchte. Das war ein sonniger Dienstag im Mai gewesen, viele Jahre zuvor, als er ihr einen fremden Namen eintätowierte.
    A-u-r-e-l-i-a. ›So! Das bist ab heute du!‹, hatte er ihr unter Liebesschwüren, nein, nicht gestanden oder erbeten. Abverlangt.
    Er weiß es überhaupt nur deshalb, weil Aurelia, nein, Anong es ihm mit ungewohnter Vehemenz entgegengebrüllt hatte. Er war erschrocken zurückgetreten. Hatte etwas verstanden, was er nie verstehen hatte wollen. Viele Jahre später.
    Durch diese Tat war er geradewegs in ihre Seele hineingeraten. Und in seine eigene. Ohne es zu bemerken. Da war kein Zweifel gewesen, keine Sekunde lang. Kein Empfinden, etwas Derartiges könne er nicht tun. Nur diese falsche Freude, die Oberhand gewonnen zu haben. Über ihre Klugheit, ihre Gewandtheit, ihr Ich.
    Was ihm jetzt zu tun bleibt, ist, seinen Körper nachzutragen. Seiner erloschenen Seele hinterher, dem tatsächlichen Tod entgegen. Sein erklärtes Ziel lautet: endlich Gewissheit finden, dass er seiner Schuld entkommen kann. Nicht nur vor Karl Degenwald, der ihm auf den Fersen ist. Auch vor sich selbst.
    Dass er Anong schließlich erstickt hatte, an jenem Abend, als ihm jemand zuvorgekommen war und ihr das Messer in den Rücken gerammt hatte. Das war nicht geplant.
    Er war zuerst entsetzt zurückgetreten, als er sie blutend und stöhnend zu Hause vorgefunden hatte. Es mochte noch nicht lange her sein, seit dieses schreckliche Vorkommnis sich zugetragen hatte. Er hatte sie aufgefordert zu sagen, wer sie derart zugerichtet hatte. Doch er hatte nur ihr Schweigen empfangen. Nichts als ihr Schweigen. Erst da war ihm eingefallen, dass er den Notarzt verständigen musste. Er hatte die blutende Wunde rasch erstversorgen wollen.
    So war

Weitere Kostenlose Bücher