Engpass
Stimme an.
»Warum kommst du nicht heim? Die Schule ist doch längst aus. Es würde mir helfen, wenn du bei mir wärst.«
»Keine Lust.«
»Keine Lust? Was soll das? Wo treibst du dich rum?«
»Nicht dein Thema, Mam!«
Eine Weile reden sie noch miteinander. Belanglosigkeiten. Dann stellt Dino die Frage, die ihm die ganze Zeit über auf den Lippen liegt.
»Haben die eigentlich was bei uns gefunden?«
»Was sollen die denn finden?«, entkommt es seiner Mutter verwundert.
Hanne Maihauser durchforstet ihren Computer. Sie sucht nach Fotos. Beim Schützenfest hatten sie nebeneinandergesessen. Aurelia oder besser gesagt Anong und sie. Unterhalten hatten sie sich. Gut und lange sogar. Hanne hatte zwei Mass Bier getrunken. Und gelacht. Getanzt. Gesungen. Gefeiert. Ausgelassen hatten sie das Fest genossen.
Insgeheim hatte sie sich oft gefragt, wieso Fred, ihr Mann, jederzeit und problemlos mit Götz beieinander sein konnte. Wo der doch das Verhältnis mit seiner Frau gehabt hatte. Mit Silke. Damals. Jetzt weiß sie es. Weil Fred genauso viel Dreck am Stecken hatte wie Bramlitz. Einer mit der Frau des anderen. Diesmal war Fred an der Reihe. Liebte sich beharrlich an Anong Bramlitz’ Seite. Im Verborgenen. Ein großes Geheimnis. Eines, das auch sie anging, das ihr aber vorenthalten worden war.
Sie spürt, wie ihr Tränen der Wut die Wangen hinunterstürzen. Sie kann sie nicht zurückhalten. Obwohl sie sich ihrer schämt. Sie schämt sich schon viel zu lange. Wenn sie in den Spiegel blickt, gesteht sie es sich ein.
Mit Fred sprechen. Das muss sie. Hastig steht sie auf, durchquert das Zimmer, auf die Kommode zu, auf der ihr Handy liegt. Als sie Fred am Apparat hat, weint sie noch immer.
Ihr Mann schweigt ihr zu. Was soll er ihr sagen? Was soll sie ihm sagen? Was haben sie einander längst gesagt, ohne es zu verstehen, wortlos? Hanne hat plötzlich alles vergessen.
Elsa sitzt in ihrem Büro und telefoniert. Für einen kurzen Moment legt sie die Beine auf den Schreibtisch und hört Ben zu.
»Ihr habt nichts gefunden?«
»Wenn ich’s sage, stimmt’s! Der Maihauser-Bunker ist lupenrein.«
»Was ist mit dem Messer, das in den Küchenblock passt? Wo eine Sache zu finden ist, sind auch noch andere«, hält Elsa dagegen.
»Dieses Detail könnte als Zufall durchgehen. Wenn’s hart auf hart kommt.«
»Noch mehr solcher Vorschläge, Ben? Sie machen mir echt Mut. Ist doch nur eine Frage der Zeit, bis wir beweisen, dass Anong Bramlitz mit genau diesem Messer attackiert wurde.« Elsa verzieht grübelnd die Stirn.
»Ihr Wort in Gottes Ohr, Elsa. Aber nun zu etwas viel Erfreulicherem. Der neue Krimi mit Clive Owen ist gerade angelaufen.«
»Das haben wir hier live besser. Den Krimi, meine ich.«
»Sie sind eine Spielverderberin und reden sich raus. Tut man so was?«, meint Ben linkisch.
»Ich muss weitermachen. Übers Kino reden wir noch. Ich melde mich.« Elsa legt auf und nimmt die Füße vom Tisch.
Drüben geht Degenwalds Tür. Hastig steht sie auf, durchquert die Pufferzone zwischen ihrem und Degenwalds Büro und steht vor ihm.
»Das Maihauser-Anwesen gibt mir Rätsel auf. Ben und seine Leute haben nichts gefunden«, klärt sie ihren Kollegen auf.
»Bei Birgit Leiner bin ich auch nur dahingehend weitergekommen, dass wir sie als Täterin in Sachen Aurelia Bramlitz vergessen können«, entgegnet Degenwald. Er sieht nicht gerade glücklich aus, als er das preisgibt.
Elsa lässt sich in den Stuhl hinter seinem Schreibtisch fallen, schaut Degenwald forschend an und seufzt.
»Und jetzt?«, will sie wissen.
»Nehmen wir uns Bramlitz vor! Will ich ohnehin die ganze Zeit. Und Fred Maihauser, damit Sie auch Ihre Freude haben«, fügt er an.
»Wer nimmt wen?«, will Elsa wissen.
Degenwald sucht in seiner Lade nach einem Würfel und hält ihn Elsa hin. »Die höhere Zahl bekommt Bramlitz.«
Elsa spuckt auf den Würfel, murmelt: »Toi, toi, toi«, und lässt ihn über den Schreibtisch rollen. »Fünf! Ausgezeichnet«, freut sie sich und reibt sich die Hände.
Als Degenwald eine Drei würfelt, steht fest, dass Elsa sich Götz Bramlitz vorknöpft.
Anna steht mit Dino am Ufer eines Flusses in der Nähe von Marquartstein und wirft Steine ins Wasser.
»Wo hast du den ganzen Vormittag gesteckt?«, will sie wissen.
»Keine Ahnung. Irgendwo.«
»Irgendwo?« Anna schüttelt den Kopf. »Irgendwo gibt’s nicht.«
»Die Typen von deiner Mutter waren bei uns im Haus. Die von der Spurensicherung.« Dino schaut
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