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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Jericho blätterte im Kleinen Signalbuch und dachte an Claire.
    Mitternacht kam und ging ohne einen Laut aus dem Nordatlantik, und die Spannung, die den ganzen Abend ständig gewachsen war, begann nachzulassen.
    Das, was die Köche der Kantine von Bletchley Park bei der Zwei-Uhr-Mahlzeit anzubieten hatten, hätte sogar Mrs. Armstrong erblassen lassen - gekochte Kartoffeln in Käsesauce mit Barrakuda, gefolgt von einem Nachtisch, bestehend aus zwei Scheiben Brot, zusammengeklebt mit Marmelade und in Fett gebacken -, und gegen vier Uhr warf die Anstrengung, diese Mahlzeit zu verdauen, eine Decke der Schläfrigkeit über die Kryptoanalytiker. Hinzu kamen die trübe Beleuchtung in Baracke 8 und die Dünste des Paraffinofens. Atwood war der erste, der seiner Müdigkeit erlag. Sein Mund ging auf, und der obere Teil seines Gebisses lockerte sich, so daß er beim Atmen ein seltsam klickendes Geräusch von sich gab. Pinker rümpfte angewidert die Nase und verzog sich, um sich in der Ecke ein Nest zu suchen, und kurz darauf schlief auch Puck ein, den Körper nach vorn gebeugt, die linke Wange auf seinem Unterarm, der auf dem Tisch lag. Sogar Jericho, trotz seiner Entschlossenheit, die Kryptogramme zu bewachen, glitt in die Bewußtlosigkeit des Schlafes hinüber. Er riß sich mehrere Male zurück, weil er sich bewußt war, daß Baxter ihn beobachtete, aber schließlich konnte er nicht länger dagegen ankämpfen und versank in einen unruhigen Traum von ertrinkenden Männern, deren Schreie sich für ihn anhörten wie der Wind in der Antennenanlage.

VI Enttarnung
    Enttarnung: das Entfernen einer Lage der Verschlüsselung eines Kryptogramms, das dem Prozeß der Überschlüsselung (siehe dort) unterworfen wurde, das heißt, einer Nachricht, die einmal verschlüsselt wurde und dann aus Sicherheitsgründen noch ein zweites Mal.
     
    Ein Lexikon der Kryptographie
    (»Streng geheim«, Bletchley Park, 1943)

1.
    Später sollte sich herausstellen, daß Bletchley Park fast alles wußte, was es über das U-Boot 653 zu wissen gab.
    Sie wußten, daß es zum Typ VII c gehörte - 66 Meter lang, 6 Meter breit, getaucht mit einer Wasserverdrängung von 871 Tonnen und einer Oberflächenreichweite von 6500 Meilen -, und daß es auf der Howaldts-Werft in Hamburg gebaut worden war, mit Motoren von Blohm & Voss. Sie wußten, daß es achtzehn Monate alt war, weil sie die Meldungen über seine Seetüchtigkeit im Herbst 1941 geknackt hatten. Sie wußten, daß es unter dem Kommando von Kapitänleutnant Gerhard Feiler stand. Und sie wußten, daß es in der Nacht des 28. Januar 1943 - zufällig der letzten Nacht, die Tom Jericho mit Claire Romilly verbracht hatte - seinen Liegeplatz im Hafen St. Nazaire verlassen hatte und unter einem dunklen und mondlosen Himmel zu seinem sechsten Einsatz in den Golf von Biskaya ausgelaufen war.
    Nachdem es eine Woche auf See gewesen war, knackten die Kryptoanalytiker in Baracke 8 eine Nachricht aus dem U- Boot-Hauptquartier - damals noch in seiner grandiosen Behausung in der Nähe des Bois de Boulogne in Paris -, mit der es angewiesen wurde, aufgetaucht zum Planquadrat KD 63 zu fahren. »Mit höchstmöglicher Geschwindigkeit ohne Rücksicht auf die Bedrohung aus der Luft.«
    Am 11. Februar schloß es sich mit zehn weiteren U-Booten zu einer neuen Gruppe zusammen, die im Atlantik patrouillieren sollte und den Codenamen »Ritter« erhielt.
    Die Wetterverhältnisse im Nordatlantik waren in diesem Winter 1942/43 besonders schlecht. Es gab 100 Tage, an denen die U-Boote Stürme von mehr als Windstärke 7 auf der Beaufort-Skala meldeten. Manchmal erreichte der Wind eine Geschwindigkeit von über 100 Meilen pro Stunde und peitschte Wellen von mehr als 30 Metern Höhe auf. Schnee, Schneeregen, Hagel und gefrorene Gischt prasselten auf U- Boote und Konvois nieder. Ein Schiff der Alliierten kenterte und sank, lediglich durch das Gewicht des Eises auf seinen Aufbauten, in Minutenschnelle.
    Am 13. Februar brach Feiler die Funkstille, um zu melden, daß sein Wachoffizier, Leutnant Laudon, über Bord gespült worden war - von Feilers Seite ein schwerer Verstoß gegen die Vorschriften, der ihm kein Beileid einbrachte, sondern einen heftigen Verweis, der an die gesamte U-Boot-Flotte übermittelt wurde: »Feilers Meldung über Verlust von Wachoffizier hätte nicht gesendet werden dürfen bevor Funkstille infolge Feindkontakt gebrochen werden darf.«
    Erst am 23. Februar, nach fast vier Wochen auf See, konnte Feiler seinen Schnitzer

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