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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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werfen. Es war genauso wie vor sechs Wochen. Ein paar solide Laufschuhe neben dem Bett. Dasselbe Deutschbuch. »An seinen Ufern sind Berge, Felsen und malerische Schlösser aus den ältesten Zeiten.« Er klappte es zu und kehrte auf den Treppenabsatz zurück.
    Und dann, endlich, betrat er Claires Zimmer.
    Ihm war jetzt völlig klar, was er tun würde, obwohl sein Gewissen ihm sagte, daß es unrecht war, und die Logik ihm sagte, daß es töricht war. Und im Prinzip war er der gleichen Ansicht. Wie jeder gute Schüler hatte er seinen Äsop gelesen, wußte, daß »Lauscher nie etwas Gutes über sich hören« - aber wann, dachte er, als er daranging, Schubladen zu öffnen, wann hat diese fromme Weisheit jemals jemanden von seinem Vorhaben abgehalten? Ein Brief, ein Tagebuch, eine Notiz - irgend etwas, das ihm sagte, warum -, er mußte es sehen, er mußte es, obwohl die Chancen, daß es ihn irgendwie tröstete, gleich Null waren. Wo war sie? War sie bei einem anderen Mann? Tat sie das, was die Mädchen in London, Darling, heutzutage eine Mauernummer nennen?
    Er geriet plötzlich in Rage und wütete in ihrem Zimmer wie ein Einbrecher, riß Schubladen heraus und leerte sie aus, fegte Schmuck und Nippes von den Regalen, warf ihre Kleider auf den Fußboden, riß ihre Laken und Decken vom Bett und zerrte ihre Matratze hoch, wobei er Wolken von Staub und Parfüm und Straußenfedern aufwirbelte…
    Nach zehn Minuten kroch er in eine Ecke und legte den Kopf auf einen Haufen aus Seide und Pelzen.
    »Sie sind ein Wrack«, hatte Skynner gesagt. »Sie sind am Ende. Sie haben versagt. Finden Sie jemanden, der besser zu Ihnen paßt als die Person, mit der Sie sich mehrere Male getroffen haben.«
    Skynner wußte von ihr, und auch Logie schien sie zu kennen. Wie hatte er sie genannt? »Die kühle Blonde.« Vielleicht wußten sie alle Bescheid? Puck, Atwood, Baxter, jeder?
    Er mußte hier weg, fort von dem Duft ihres Parfüms und dem Anblick ihrer Kleider.
    Und es war diese Aktion, die alles änderte, denn erst, als er auf dem Treppenabsatz stand, mit dem Rücken an die Wand gelehnt und mit geschlossenen Augen, wurde ihm bewußt, daß ihm etwas entgangen war.
    Langsam und bedächtig kehrte er in ihr Zimmer zurück. Stille. Er trat über die Schwelle und ging noch einmal hinein. Wieder Stille. Er ließ sich auf die Knie nieder. Auf dem Boden lag einer der Teppiche von der Tante aus Kensington, irgend etwas Persisches, fleckig und geschmackvoll abgeschabt. Er war nur zwei mal zwei Meter groß. Jericho rollte ihn auf und legte ihn aufs Bett. Die Holzdielen, die darunterlagen, waren vom Alter verzogen, glatt gescheuert, mit rostfarbenen Nägeln befestigt, seit zwei Jahrhunderten unangetastet - außer an einer Stelle, wo ein Stück von einem alten Dielenbrett, ungefähr fünfundvierzig Zentimeter lang, mit vier sehr modernen, sehr glänzenden Schrauben befestigt war. Er hieb triumphierend auf den Boden.
    »Gibt es sonst noch etwas, worauf Sie meine Aufmerksamkeit lenken möchten, Mister Jericho?«
    »Auf den merkwürdigen Umstand des knarrenden Dielenbretts.«
    »Aber das Dielenbrett hat nicht geknarrt.«
    »Genau das ist der merkwürdige Umstand.«
    In dem Chaos ihres Schlafzimmers konnte er kein geeignetes Werkzeug entdecken. Er ging hinunter in die Küche und fand ein Messer. Es hatte einen Perlmuttgriff mit einem eingravierten »R«. Ideal. Er flog fast die Treppe hinauf. Die Spitze des Messers paßte in den Schraubenkopf, das Gewinde drehte sich widerstandslos, die Schraube kam heraus wie im Traum. Ebenso die anderen drei. Er hob das Stück Dielenbrett heraus, und zum Vorschein kamen Roßhaar und Putz von der Decke des darunterliegenden Zimmers. Er zog Mantel und Jackett aus und rollte einen Hemdsärmel auf. Er legte sich auf die Seite und schob seine Hand in den Hohlraum. Anfangs brachte er nichts heraus außer Händen voll Schutt, überwiegend Klumpen von altem Putz und kleine Ziegelsteinbrocken, aber er suchte weiter, bis er endlich einen kleinen Freudenschrei ausstieß, weil er Papier ertastet hatte.
    Er verstaute alles wieder an seinem vorherigen Platz, mehr oder weniger. Er hängte ihre Kleider an die Balken, stopfte ihre Unterwäsche und ihre Tücher in die Schubladen und schob die Schubladen zurück in die Mahagonikommode. Er schaufelte ihren Schmuck in den Lederkasten und drapierte andere Stücke kunstvoll über die Regale, neben ihre Flaschen und Tiegel und Packungen, von denen die meisten leer waren.
    All das tat er mechanisch,

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