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Entbrannt

Entbrannt

Titel: Entbrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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uns im Griff gehalten hatte.
    Seine Lippen streiften mein Ohr und ich wusste, dass diese winzige, erstaunliche Kontrolle, die ich noch über meine rationalen Gedanken hatte, schon bald ganz verschwinden würde.
    Ich hasste mich, als ich es tat, aber ich griff auf meine Kraft zu und schob sie nach außen, gewann Stärke und Distanz und badete Lincoln in ihren Wirkungen– nach allem, was er mir erzählt hatte, war sie wie Vanillecreme.
    Meine Seele protestierte, als würde sie versuchen, sich von ihrem unwürdigen Gastgeber zu befreien, aber ich drängte weiter, zog die Mauern hoch, hätte am liebsten geschrien, als ich die Barriere zwischen Lincoln und mir wieder aufbaute und die Sonne aussperrte.
    Ich spürte, wie seine Lippen, die noch immer in meinem Nacken waren, bebten. Seine Hand, die auf meinem Arm lag, griff fest zu. Ich wusste nicht, ob er versuchte, zu Kräften zu kommen, oder ob er sich einfach festhielt. Ich ließ ihm Zeit, genau wie er es bei mir getan hatte, und blieb, wo ich war, um das alles nicht noch schlimmer zu machen.
    Als seine Hände beide von mir abgefallen waren und er einen Schritt nach hinten gemacht hatte, wollte ich ihm sagen, dass es okay war, dass gerade ich ihn hundertprozentig verstand. Doch noch bevor ich das erste Wort herausbrachte, war er schon verschwunden.
    Als ich nach oben kam, stopfte Lincoln gerade Sachen in einen Rucksack. Er sah mich nicht einmal an.
    »W ir müssen regelmäßig Patrouille laufen. Ich gehe einmal um das Grundstück herum und halte dann ein paar Stunden Wache, während du schläfst. Wenn du aufwachst, kannst du mich ablösen.«
    »L inc, bitte. Bist du sauer auf mich?«
    Er machte den Rucksack zu. Dann sah er mich kurz an und schüttelte den Kopf. »I ch bin nicht sauer auf dich. Ich bin wütend auf mich. Ich habe gerade… Ich weiß nicht, was wir da manchmal machen.« Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar. »I ch war egoistisch.« Wieder schüttelte er den Kopf. »G eh dich ausruhen.« Damit stapfte er aus dem Zimmer, und ich ließ ihn gehen, auch wenn ich ihm am liebsten den Hals umgedreht hätte.
    Glaubt er etwa, ich wäre die Einzige, die Schwierigkeiten mit diesen Dingen haben darf?
    In solchen Augenblicken vermisste ich Steph am meisten. Ich schnappte mir das Handy, das Griffin uns gegeben hatte, und ignorierte die Warnung, dass wir es nur in Notfällen benutzen sollten. Das war ein Notfall: Ich brauchte meine beste Freundin. Ich wählte Stephs Nummer und seufzte.
    Mailbox.
    Ich musterte das Ledersofa und überlegte, ob ich mich darauf sinken lassen sollte, doch dann schnappte ich mir stattdessen mein Gepäck und ging nach oben. Ich stöberte einen Stapel modrig riechender Handtücher auf, mit denen ich wohl vorliebnehmen musste, und wählte das Zimmer, das ich für Evelyns hielt. Es wäre schön gewesen, wenn sie hier mehr Spuren hinterlassen hätte– Fotos oder auch nur Zeitschriften. Die Hütte war zwar bezaubernd, aber nicht gerade persönlich.
    Am schockiertesten war ich, als ich die Dusche aufdrehte und tatsächlich heißes Wasser kam. Ich überlegte nicht lange, sondern sprang hinein, bevor es ausging.
    Lincoln war noch nicht zurückgekommen, und ich vermutete, dass er das auch nicht so schnell tun würde. Manchmal war Abstand die einzige Lösung. Als ich gut verstaute Bettwäsche fand, die nicht annähernd so alt roch, wie ich erwartet hatte, begnügte ich mich daher damit, das Bett zu machen. Überraschenderweise schlief ich ein, kaum dass mein Kopf das Kissen berührt hatte.
    Ich war in einem langen, dunklen Korridor. Die Wände, der Boden und die Decke bestanden aus dunkel getönten Spiegeln, die Dinge reflektierten, die nicht da waren, aber nicht die, die da waren.
    Ich starrte in das Glas und konzentrierte mich auf die Substanz, die irgendwo da drinnen war. Ich schaute hinter mich. Nichts. Was war das? Und warum kam es mir bekannt vor?
    Mein Blick wanderte den schmalen Korridor entlang. Ich war nicht allein. An seinem Ende saß Uri auf einem einfachen Stuhl. Zerzaust wie immer, unrasiert und ohne Schuhe. Als ich ihn in der Wüste gesehen hatte, schien sich Sand über seine Füße zu wälzen, als wäre er ein Teil von ihm. Verstörenderweise war es mit dem verspiegelten Boden das Gleiche, er sah aus wie ein flüssiger Ozean unter seinen Füßen. Ausdruckslos nickte mir Uri zu.
    Ich drehte mich um. Am anderen Ende des Korridors saß Nox auf einem hohen Hocker. Wie vorauszusehen gewesen war, war er völlig makellos, heute trug er einen

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