Entbrannt
durchatmete, konnte ich sie dieses Mal in den Hintergrund schieben. Sie waren zwar immer noch da, aber vorerst würde es so gehen müssen.
Ich sah Lincoln an, der auf mich wartete, und nickte. Er lächelte. Es war die Art von Lächeln, die er mir schenkte, wenn ich im Training erfolgreich war.
Während wir durch die Türen gingen, ignorierte ich Dads strengen Blick und ging einfach weiter. Er hatte nicht mitbekommen, dass Lincoln mir gerade geholfen hatte, aber jetzt war nicht die Zeit für Erklärungen. Ich war mir ziemlich sicher, dass Evelyn genau verstanden hatte, was passiert war, denn sie hatte Dad fest am Arm gepackt und lenkte ihn von uns weg.
Dankbar nickte ich ihr zu.
Sie ignorierte mich auf diese, für sie typische, nervige Art.
Sobald sich im obersten Stock die Aufzugstür öffnete, spülte eine weitere Woge der Sinneswahrnehmungen über mich hinweg, aber sie waren anders– dezent und tröstlich–, weil sie die Anwesenheit meiner eigenen Leute signalisierten.
»W ie viele Grigori gibt es hier?«, flüsterte ich Griffin zu.
»U m die hundert Schüler plus etwa hundert ältere Grigori halten sich hier normalerweise auf.«
»W ow.« Das erklärte den Zustrom an Sinneswahrnehmungen.
Acht stille, schwer bewaffnete Grigori, die vollkommen schwarz gekleidet waren, brachten Evelyn zu ihren für sie bestimmten Zimmern. Griffin hatte uns schon darauf vorbereitet, aber Dad musste sich anstrengen, cool zu bleiben, als sie in Fesseln abgeführt wurde.
Das Wartezimmer, in das wir Übrigen geführt wurden, war riesig und ultramodern. Die Wände des Gebäudes bestanden aus Glas und boten einen herrlichen Blick über Manhattan. Es war einzigartig schön, und ein wenig fühlte man sich wie in einem Goldfischglas.
»K omm mit«, sagte Lincoln leise und ging zu einer Seite des Raumes. Ich folgte ihm zu den Fenstern.
»W as?«, fragte ich.
Er zeigte hinaus, und dann sah ich es.
Nichts hätte mich auf den Anblick vor mir vorbereiten können. Und als er seinen ausgestreckten Arm nach rechts schwenkte, schnappte ich nach Luft.
»W ie… wie? Das ist doch nicht… Fliegen sie?« Was meine Augen da sahen, ergab keinen Sinn. Leute liefen buchstäblich in der Luft herum. Nichts unter ihnen, nichts über ihnen, und doch machten sie den Eindruck, als wäre das die natürlichste Sache der Welt. Ich blickte auf die Straße hinunter– dort wehte der Wind und die Bäume schwankten–, doch als ich wieder zu den Leuten sah, die da am Himmel herumwanderten, schien das keinen von ihnen zu stören.
Lincoln grinste. »D ie Akademie besitzt mehrere Gebäude. Zwischen ihnen gibt es Fußwege.«
Ich konnte meine Augen nicht von den Leuten am Himmel abwenden. »D a laufen Leute am Himmel herum, Linc. Erklär mir das.«
Er stieß sein leises, geheimnisvolles Lachen aus, das in meinem ganzen Körper nachhallte. Ein Lachen, von dem ich irgendwie wusste, dass es für niemand anderen auf der Welt reserviert war als für mich. Das Lachen, das mir das Herz brach.
Atme.
»I ch freue mich ja, dass du mich amüsant findest. Aber mir wäre es lieber, du würdest weniger lachen und mehr erzählen!«
Er lachte wieder, und ich war kurz davor, ihn entweder zu boxen oder mich in seine Arme zu werfen, als eine Frauenstimme unsere Aufmerksamkeit erregte.
»W ie ich sehe, haben wir es geschafft«, sagte Josephine, ihr überlegener Tonfall durchdrang alle anderen Geräusche.
Aufrecht und förmlich stand sie da, sie trug einen taillierten dunkelblauen Anzug, ihr Haar war zu einem Dutt zusammengefasst. Sie war auf eine strenge Art attraktiv. Abschätzig musterte Josephine einen nach dem anderen, und hätte uns genauso gut ins Gesicht sagen können, dass sie uns ihrer nicht würdig hielt.
Sie nickte Zoe und Spence zu. »W illkommen zu Hause. Ihr werdet dieselben Zimmer bekommen wie vor eurem Weggang. Ich nehme an, ihr wisst noch, wo sie sind. Wenn du nichts dagegen hast, Zoe«– sie verdrehte tatsächlich die Augen–, »a ber das hast du ja bestimmt nicht, dann teilst du das Zimmer mit Violet.«
»G ut«, sagte Zoe, wobei sie versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken.
»S pence, du wirst heute Nachmittag vor ein Disziplinarverfahren gestellt, bevor du wieder mit dem Unterricht anfängst«, sagte sie mit einem Blick, der keinen Widerspruch duldete.
Himmel. Sie ist wirklich Furcht einflößend.
Spence nahm natürlich die Herausforderung an. »T atsächlich habe ich gerade die Highschool abgeschlossen. Eine Kopie meiner Zeugnisse habe ich
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