Entbrannt
abgesehen von einem Halbkreis aus Stühlen, der sich auf der hinteren Seite auf einer leicht erhöhten Bühne befand. Die Stühle sahen aus, als wären sie aus unglaublich großen Bäumen geschnitzt– jeder von ihnen aus einem anderen Holz. Alle außer einem waren besetzt.
Lincoln blieb dicht bei mir, als wir in die Mitte des Raumes geführt wurden. Für uns gab es keine Stühle. Ich wollte unbedingt mit Griffin sprechen und herausfinden, weshalb er so panisch reagiert hatte, als er hörte, dass der ganze Rat anwesend war.
Als wir noch unterwegs gewesen waren, hatten wir ausführlich über den Rat gesprochen. Griffin hatte mir jedes der Ratsmitglieder kurz beschrieben. Allerdings hatte er mir gesagt, dass höchstens vier von ihnen an der Akademie sein würden. Anscheinend war dies einer der seltenen Fälle, in denen Griffin sich geirrt hatte.
Ich sorgte dafür, dass meine übernatürlichen Schutzvorrichtungen an Ort und Stelle waren. Bevor wir ins Flugzeug gestiegen waren, hatten mich sowohl Griffin als auch Evelyn schwören lassen, in Anwesenheit des Rats soweit wie möglich meine Schutzschilde oben zu lassen und den Ratsmitgliedern nur zu erzählen, was unbedingt erforderlich war– vor allem in Bezug auf meine Sehkraft, aber auch auf meinen Engelrang. Ich durfte mir kein auffälliges Zurschaustellen von Macht erlauben. Darüber hinaus schlugen sie vor, dass ich alles tun sollte, um schwächer zu wirken, als ich tatsächlich war– ein Plan, der wider meine Natur war. Aber ich konnte es ja mal versuchen.
In der Mitte der Stühle auf dem Podium saß ein Mann. Vier Leute saßen zu seiner Rechten, weitere drei zu seiner Linken. Neben ihm war ein einzelner Stuhl frei. Offensichtlich Josephines.
Griffin hatte mir erklärt, dass ihre Stellung im Rat einer der Gründe war, weshalb sie es vorgezogen hatte, partnerlos zu bleiben. Wenn ein Grigori einen Sitz im Rat erlangt, so wird laut Grigori-Gesetz auch sein Partner in diesen Stand erhoben. Sie haben dann das gleiche Stimmrecht. Offenbar befand Josephine niemanden für würdig genug, neben ihr zu sitzen. Partner stimmten im Allgemeinen gleich ab, dadurch wurde Josephine oft zum Zünglein an der Waage– ein Privileg, das sie keinesfalls mit einem unwürdigen Partner teilen wollte.
Total machtbesessen.
Josephine nahm Platz.
»G riffin, ich glaube, du hast die Ratsmitglieder schon kennengelernt?«, begann sie. Jedes Wort strömte Selbstzufriedenheit aus.
Griffin nickte respektvoll. »J a, das habe ich. Wie ich zugeben muss, habe ich jedoch nicht gewusst, dass sich der Rat zu einer so… informellen Gelegenheit versammelt.«
Das war Griffins Art, uns darauf hinzuweisen, dass etwas im Gange war– nur für den Fall, dass uns das entgangen sein sollte. Super. Wenn Griffin nach all den Jahren als Grigori-Chef dies für bedeutend hielt, dann wollte ich nicht widersprechen.
Josephine lächelte und amüsierte sich ganz offensichtlich.
Noch ein schlechtes Zeichen.
»N un, dann erlaubt mir, die Vorstellung für Lincoln und Violet zu übernehmen. In der Mitte sitzt Drenson, der Vorsitzende des Rats und der Repräsentant der Grigori weltweit.«
Laut Griffin wollte Josephine ausdrücklich nicht Vorsitzende des Rates werden. Sie wollte nicht alle Grigori repräsentieren. Sie war eine Strategin und Kämpferin und vergoss lieber Blut, als sich mit einer solch inaktiven Rolle zufriedenzugeben.
Drenson sah aus, als wäre er Ende zwanzig, doch ich wusste, dass er viele Hundert Jahre alt war. Sein langes Haar fiel ihm bis über die Schulter. Es war kastanienbraun und wirkte beinahe rot in dem Licht, das durch die blickdichten Glasscheiben drang. Er trug einen modernen doppelreihigen, stahlgrauen Anzug. Nicht die Art von Anzug, mit dem sich Onyx abgeben würde, aber einer, der trotz allem Macht und Geld ausstrahlte. Der Blick aus seinen braunen Augen fiel zuerst auf Griffin, danach auf Lincoln, bevor er sich schließlich auf mich richtete. Er neigte leicht den Kopf. Ich nickte zurück.
»W ir haben lange darauf gewartet, dich kennenzulernen«, sagte er mit einer Stimme, die so tief war, dass sich ein Echo im Raum bildete. Ein sehr leichter Akzent deutete an, dass Spanisch wohl seine Muttersprache war.
»E s ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen«, sagte ich und rezitierte damit die Worte, die Griffin mich angewiesen hatte zu sagen.
»N eben Drenson sitzt seine Partnerin, Adele«, sagte Josephine und deutete auf eine zarte Frau, die aufrecht auf ihrem Stuhl saß. Ihre
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