Entdecke die Kraft der Meditation
Atemzugs und den Beginn des nächsten fühlen können.
Aber es gehört einfach zum Üben, dass uns das richtige Maß gelegentlich verloren geht und wir es wiederfinden müssen. Der Trick ist immer der gleiche: neu ansetzen und dann sehen, dass nichts verloren ist, wenn wir mal vom Atem abkommen.
Ich kann beim Meditieren einfach nicht aufhören zu denken. Ist Meditation nicht dazu da, das Denken abzustellen?
Es geht beim Meditieren nicht darum, unsere Gedanken auszulöschen – schließlich gibt ja es im Leben viele Situationen, in denen Gedanken nötig, ja überlebenswichtig sind. Wir möchten vielmehr zwischen Gedanken und Gedankenverlorenheit zu unterscheiden lernen. Wir wollen das Denken nicht anhalten, sondern eine andere Beziehung zu unseren Gedanken gewinnen: Wir wollen beim Denken ganz präsent und bewusst sein. Solange wir merken, was wir denken, und klar sehen, was in uns vorgeht, können wir auch entscheiden, ob und wann wir auf unsere Gedanken eingehen.
Im Übrigen kann Ihre Meditation trotz finsterer oder schrecklicher Gedanken eine gute Meditation sein, es hängt ganz davon ab, wie viel Spielraum Sie solchen Gedanken lassen können. Sind Sie in der Lage, diese Gedanken einfach sein zu lassen, sie nur zu betrachten und sich nachzusehen, dass Sie solche Gedanken haben? Von Achtsamkeitslehrern ist vielfach zu hören: »Gedanken sind keine Fakten.« Gedanken sind auch keine Taten. Sie sind einfach Gedanken, Bestandteile der vorbeiziehenden mentalen Landschaft. Gedanken ziehen durch Ihren Geist wie Wolken über den Himmel. Sie sind nicht der Himmel, der Himmel bleibt stets unverändert. Bei diesen Gedanken zu sein heißt einfach, dass man sie vorbeiziehen sieht. Sicher, so erleben wir unsere Gedanken im Allgemeinen nicht, aber das möchten wir erreichen. Ich mag auch den Bildvergleich, den Daniel J. Siegel, Direktor des Mindful Awareness Research Center der University of California in Los Angeles in seinem Buch Die Alchemie der Gefühle anführt: »Der Geist ist wie das Meer. Wie die Oberfläche auch aussehen mag, glatt oder aufgewühlt, in der Tiefe ist das Meer still, ganz in Ruhe. Aus dieser Tiefe kann man nach oben zur Oberfläche blicken und sehen, was da vorgeht – wie man auch aus der Tiefe des Geistes auf all das Geschehen an der Oberfläche blicken kann, die Gedanken, Gefühle, Empfindungen und Erinnerungen.«
Beide Vergleiche weisen auf denselben Umstand hin, nämlich, dass Gefühle und Gedanken uns durch den Sinn gehen und sich ständig ändern. Sie sind nicht das, was wir sind. Sie sind einfach das, was wir gerade denken und fühlen.
Ich möchte mich innerlich leer machen, kann aber das zwanghafte Denken an einen bestimmten Menschen nicht abschalten. Was ist da los?
Wichtig ist zunächst, dass Sie sich deswegen keine Vorwürfe machen. Ich habe dazu in Indien von einem meiner ersten Lehrer manches Wertvolle gelernt. Ich ging einmal sehr aufgewühlt zu ihm, weil mich bei der Meditation Eifersuchtsgedanken verfolgten. Er fragte: »Warum sind Sie so verstört über diesen Gedanken, der sich in Ihrem Geist regte? Haben Sie ihn eingeladen?« Das öffnete mir die Augen. Wir sagen uns ja nicht: Um fünf möchte ich voller Selbsthass und Reue sein. Vermerken Sie also kurz die Gedanken und Empfindungen, und dann gehen Sie weiter, zurück zum Atem. Es geht nie darum, sich wegen der Inhalte unserer Denkprozesse Vorwürfe zu machen. Wir erkennen den Gedanken, betrachten ihn kurz, lassen ihn los und verfolgen wieder unsere Atemzüge.
Der plappernde Geist
Im Alltag sind wir oft nicht sehr aufmerksam oder achtsam und verwickeln uns schnell in Assoziationsketten, wobei wir dann kaum noch mitbekommen, was im Hier und Jetzt vor sich geht. Das kann auch bei der Meditation passieren, und in diesem Mikrokosmos lassen sich solche Abläufe sehr gut beobachten. Hier eine kleine und sehr typische Skizze von zehn Minuten aus dem Leben eines Meditierenden:
Sie sitzen und spüren den Atem, und es kommt der Gedanke: Was es wohl zu Mittag gibt? Daraus folgt gleich ein zweiter: Ich sollte vielleicht Vegetarier werden, das ist gesünder und passt eigentlich auch besser zu meiner Weltanschauung. Der Rest haspelt sich dann wie von selbst ab: Gut, ich werde Vegetarier. Aber als Vegetarier hat man es schwer, sofern man nicht wirklich gut kochen kann. Gleich nach dieser Meditation gehe ich in die Buchhandlung und hole mir ein paar richtig gute vegetarische Kochbücher. Und wenn ich schon mal da bin, besorge ich mir auch
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