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Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Titel: Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Mikich
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täglich gewaschen werden, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist. Die Antwort war: »Ja, was regen Sie sich denn so auf, früher hat man sich ja auch nur einmal in der Woche gewaschen.«
    Keiner fühlt sich mehr für irgendwas verantwortlich, keiner kann einem anderen etwas sagen.
    Wir haben ja auch überlegt, was man verändern könnte. Ich glaube, man muss mit der Finanzierung anfangen. Man sollte die Chefs, die ärztlichen Chefs, in großen Kliniken loslösen von Finanzfragen. Wenn mich ein Patient fragt: »Was kostet das?«, dann weiß ich es nicht, wirklich. Es wird ihm dann in aller Ruhe von einer Mitarbeiterin erklärt. Das macht frei. Ich glaube nicht, dass man unabhängig ist, wenn die Kosten immer vorgerechnet werden. Außerdem müsste man wieder größere Einheiten schaffen. Wo einer oben steht, ja, aber dem muss man auch Freiheiten geben. Und nicht fordern, 100 Hüften zu machen, sonst fliegt er raus oder kriegt eine Gehaltskürzung.
    Ich glaube, es muss dringend eine öffentliche Diskussion in Gang gesetzt werden: Kann Ökonomie alle Bereiche des Lebens sinnvoll gestalten? Ökonomie bedeutet in der Regel nur eines. Dass jedes Ding seinen Preis erhält und entsprechend berechnet wird. Dass diese Vorgehensweise sowohl in der Pflege als auch in der ärztlichen Versorgung Maxime sein soll, ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel. Es kann nicht lediglich nach Pflegeminuten respektive OP -Minuten abgerechnet werden. Meiner Meinung nach können soziale Aspekte nicht nur mit Preisschildern versehen werden. Es muss ein anderes System der Vergütung gefunden werden, das einer Pflegeperson oder einem Arzt Zeit für ein längeres Gespräch am Krankenbett einräumt. Das DRG -System wurde eingeführt, um das alte System der Finanzierung über Liegezeit abzulösen; das neue System sollte wesentlich kostengünstiger sein. Dieser Beweis wurde aber bis heute nicht erbracht. Im Gegenteil. Die Kosten des Gesundheitswesens sind erheblich gestiegen und werden weiter steigen. Dabei ist ein Großteil dieser Kosten hausgemacht. Den Ärzten fordert man eine ständige Leistungssteigerung ab, und die ist zwangsweise mit einer Kostensteigerung verbunden. Vielleicht wäre eine Mischung aus Liegezeit und DRG eine Lösung.
    Ihr Artikel hat mich berührt, der traf genau ins Zentrum, wie es in den Großkliniken läuft. Und wir versuchen ja, dagegen anzukämpfen. Ich bin einer der Älteren, der demnächst emeritiert, aber es gibt Gott sei Dank genügend junge Kollegen, die sind hochmotiviert und werden dann doch gebremst. Das ist zum Heulen.

Der Partner
Oberarzt Dr. N. N., Chirurg
    Ringe unter den Augen. Hochspannung in den Augen. Müde und gleichzeitig auf Hochtouren. Im Laufe unserer Bekanntschaft fällt mir dieser Gegensatz immerzu auf. Da arbeitet einer klaglos rund um die Uhr, wenn es sein muss. Er ist ein stiller Workaholic von umwerfender Freundlichkeit. Ein Sohn, eine Frau, die seine strapaziösen Abwesenheiten gerade noch ertragen. Kennengelernt habe ich die Familie auf einer Geburtstagsfeier, er sprach mich auf meine Geschichte an, die sogar an seiner weit entfernten Klinik die Runde gemacht hatte. Sehr schnell verstehe ich, dass er nicht zu den Hüft-OP-Turbo-Docs gehört, deren Hochleistungsfrequenzen nun Negativ-Schlagzeilen machen. Meine Güte, wie fantastisch er erklären kann, zugewandt und plastisch. Wie ich mich ein paar Wochen später selbst überzeugen kann, gehört er zu den »Abratern«: Nein, das schmerzende Knie eines gemeinsamen Freundes wird nicht sofort operiert, wie es dessen Orthopäde blitzfix vorgesehen hatte. Nach einem einmaligen Gespräch wohlgemerkt. Oberarzt Dr. N. N. nimmt sich (für den Kassenpatienten) eine gute Aufklärungsstunde Zeit. Er hält mehr von zweiten Meinungen, Physio und altersgemäßen Sportarten als vom schnellen Schnitt. Operieren – geht auch später … Der Freund bläst den Eingriff ab. Bislang ohne negative Folgen.
    Ich höre in Dr. N.s Worten großen Kummer, weil das Ansehen von Ärzten so zwiespältig geworden ist. Früher wurden die Halbgötter in Weiß überhöht, heute werden sie niedergemacht. Beide Haltungen seien verzerrt und verstellen den Blick auf ein System, das dringend reformbedürftig sei. Eben patientenorientiert.
    Er wäre die Idealbesetzung für eine Arzt-Serie, die nicht zuckersüß sein würde.
    Meine Motivation ist allein der Patient
Protokoll einer Überzeugung
    Ich sehe unser Gesundheitssystem sehr kritisch. Moderne Medizin ist teuer. Die

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