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Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Titel: Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Mikich
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nüchterne Zahlen: Während das Bundesgesundheitsministerium mit Einführung des Gesetzes die Kosten für die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung zwischen 2007 und 2011 auf 840 Millionen Euro geschätzt hat, wurden von den Kassen in diesem Zeitraum für die Versorgung nur 153 Millionen Euro bezahlt 94 , also weniger als ein Fünftel.
    Kein Geld für todkranke Kinder?
    Die Leidtragenden sind die Patienten. Zehntausende sterben jedes Jahr weiter unversorgt und unter völlig unnötigen Qualen. Besonders gravierend: die Situation bei den Kindern.
    Kinderpalliativteams müssen anderen Anforderungen genügen als Teams, die sich um todkranke Erwachsene kümmern. Das liegt daran, dass sich bei Kindern Erkrankungen, die irgendwann zum Tode führen, oft jahrelang hinziehen, während Erwachsene in der Regel die letzten zwei bis drei Monate ihres Lebens von einem Palliativteam versorgt werden. Es sind andere Krankheiten und deren Begleiterscheinungen, an denen Kinder sterben. Sie leiden neben Krebserkrankungen vor allem an Einschränkungen, die sie von Geburt an mitbringen, also Erbkrankheiten und Gendefekten. Das bedeutet, dass sie zwar intensiv betreut werden müssen, dass sie aber oft noch jahrelang mit einer Erkrankung leben, bevor Lungenentzündungen, Atemnot und Spastiken zum Tod führen. Besonders diese Kinder sollen zuhause bleiben und ihre letzte Lebenszeit im Kreis ihrer Familie verbringen dürfen. Das trägt oft dazu bei, dass es ihnen phasenweise besser geht. Umso wichtiger ist es allerdings, den Menschen in ihrem Umfeld Kraft zu geben. Das heißt: Neben der klassischen medizinischen Versorgung der Kinder durch Kinderärzte, Physiotherapeuten oder Ernährungsberater kümmern sich Psychologen auch um das Seelenheil ihrer Eltern und Geschwister, die manchmal jahrelang mit einem Kind leben, das irgendwann sterben wird.
    Andrea Geller 95 ist so ein Kind. Sie ist sieben. Häufig hat sie Atemnot, bekommt immer wieder Lungenentzündungen. Sie lebt im Wohnzimmer, sitzt meist auf dem Schoß ihrer Mutter, stundenlang angeschlossen an ein ächzendes Beatmungsgerät. Andreas Krankheit hat keinen Namen, aber sie wird daran sterben.
    Ihre Mutter Petra hat ihren Beruf als Sekretärin an den Nagel gehängt, bleibt zuhause, um sich um Andrea zu kümmern. Sie ist blass, und unter ihren Augen haben sich tiefe Ringe eingegraben. Man sieht, dass ihr Andrea manchmal zu schwer wird auf dem Schoß, man sieht, dass ihr alles manchmal zu schwer wird. Die Fragen nach ihrem Schlaf, nach einem Urlaub, nach freier Zeit und nach all dem, was Menschen im Alter von Anfang dreißig normalerweise tun, beantwortet sie nur mit einem fast abwesenden Lächeln. Und trotzdem möchte sie die Zeit, die ihr mit ihrer Tochter noch bleibt, um keinen Preis missen.
    Noch vor zwei Jahren hat Andrea die meiste Zeit im Krankenhaus gelebt. Dann übernahm Dr. Groenwald mit seinem Palliativteam die Versorgung, und Andrea konnte zuhause bleiben. Mehrmals die Woche schauten er oder eine Schwester nach Andrea, stimmten die genaue Medikation ab, maßen die Atmung und überprüften die Lunge auf Entzündungen. Nur in den größten Krisen musste Andrea noch ins Krankenhaus, dann, wenn ihre Atmung immer unregelmäßiger wurde oder aussetzte.
    Aber die Kassen wollten nur etwa die Hälfte der Kosten für das Team bezahlen. Das Defizit addierte sich von Jahr zu Jahr, und so musste Groenwald im Frühjahr 2012 seine ambulante Arbeit einstellen. Für Andrea und ihre Familie bedeutete das, dass sie wieder überwiegend im Krankenhaus leben musste. Denn ohne die häusliche Unterstützung konnte die Familie die häufigen Krisen, die Lungenentzündungen und Atemschwächen, nicht auffangen.
    Obwohl sie die Versorgung eigentlich bezahlen müssten, verlassen sich die Krankenkassen gerade bei sterbenden Kindern häufig darauf, dass die Einrichtungen Spenden generieren und sich so finanzieren. Ohne diese Spenden müssten fast alle Kinder-Palliativteams in Deutschland aufgeben. Und von flächendeckender Versorgung kann bei Weitem nicht die Rede sein. In vielen Teilen Deutschlands existieren auch sechs Jahre nach Einführung des Gesetzes noch keine Teams, und so bleibt etwa die Hälfte der todkranken Kinder ohne ambulante Versorgung. Und wieder nüchterne Zahlen: Schätzungen zufolge könnte man mit etwa 25 Teams eine flächendeckende Versorgung für todkranke Kinder gewährleisten. Zurzeit gibt es elf Teams in Deutschland. Die Kosten für eine 24-Stunden-Versorgung beziffert die

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