Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)
gründliche Informationen gekriegt. Das kommt natürlich auch daher, dass diese Patienten nicht nur einmal hingehen. Die stellen sich vor, werden untersucht, es wird entschieden, ob sie für die Liste der Transplantation angemeldet werden können. Und dann müssen sie alle Vierteljahre wiederkommen. Die durchschnittliche Wartezeit beträgt ungefähr zwölf Monate. Und so hat man natürlich auch mehrmals die Möglichkeit nachzufragen.
Irgendwann beim Wiedervorstellungstermin sagte Professor B.: »Also, das mit dem Sauerstoff, das bringt jetzt nichts mehr, wir sehen es an den Werten. Wir machen Sie zum Urgent-Fall . Das heisst dringlich. Und Sie müssen stationär sein.«
Im Mai sind wir hingefahren. Ein Oberarzt hat meine Frau ziemlich hart rangenommen, ob sie wirklich diese Transplantation will. Alles aufgezählt, alle Risiken aufgezählt, sodass sie hinterher geheult hat: »Ich weiß nicht, was der wollte. Ich bin doch hier, damit ich transplantiert werde. Der tut so, als sollte ich das nicht machen.« Eine Oberärztin erklärte ihr später: »Der muss so reden. Ja! Der muss Ihnen klarmachen, welche Risiken darin stecken. Na, kommen Sie mal wieder runter.« Also, da ist nicht so blitzschnell operiert worden. Die Fälle, wo einer so rutschibutsch innerhalb von vier, sechs Wochen nach Listung schon transplantiert wird, sind relativ selten.
Es braucht – nicht nur dann – jemanden, der sich mit dir beschäftigt. Natürlich hast du auch im Krankenhaus die Möglichkeit zu sagen: »Wissen Sie, ich würde mich mal ganz gerne hier mit jemandem aus dem psychologischen Dienst unterhalten.« Solche Stellen gibt es ja. Aber wenn es irgendwie geht, besuchen wir unsere Mitglieder im Krankenhaus.
Ich glaube, dass es in Krankenhäusern überwiegend ein Kommunikationsproblem gibt. Trotz der Konsilien, die sie dort abhalten, und trotz der Übergabe des Pflegepersonals zu festgelegten Zeiten bleiben viele Informationen auf der Strecke. Sie haben für die ganze Station eine halbe Stunde Übergabe, mehr nicht. Sie können nicht, sage ich mal, eine Interschicht reinlegen, die diese beiden Hauptschichten verbindet. Wäre schon sinnvoll. Aber das ist mir nirgendwo bekannt.
Patienten im Krankenhaus wissen generell nicht, was um sie herum passiert. Und eigentlich hat auch niemand die Zeit, ihnen das ausführlich zu erklären. Wenn dann ein Libero da wäre, der sagt: »Okay, was haben Sie denn für Fragen? Ich setze mich jetzt hier ans Bett und beantworte das alles …« Das wäre schon eine tolle Sache.
Selbsthilfegruppen können ersatzweise helfen. Die Ärzte und Krankenschwestern sind nie genervt, wenn wir auftauchen. Man muss die Sache natürlich auch vernünftig einfädeln. Du gehst mit einer Visitenkarte der Selbsthilfegruppe als Allererstes zur Station, fragst nach der Stationsschwester und erklärst ihr: »Ich habe hier den Patienten X zu besuchen …« Im Normalfall ist es kein Problem, du musst natürlich mit Gespür rangehen. Wenn du siehst, dass ein Arzt unter Druck ist und schon wieder weiter müsste, und du willst ihn etwas relativ Belangloses fragen, musst du es verschieben, sonst kriegst du eine genervte Antwort.
Auf der Intensivstation ist es schwieriger. Da muss dich ein Angehöriger anmelden. Oder du sprichst das Pflegepersonal an: »Der Patient X ist alleine, und wir von der Selbsthilfegruppe möchten ihn unterstützen und auch besuchen.« Das Pflegepersonal ist eigentlich in der Regel erfreut darüber. Und dann sagst du: »Ich lass Ihnen mal mein Kärtchen hier, knipsen Sie das doch in die Krankenakte rein, wenn was ist, ich bin gut erreichbar mit Handynummer.« So funktioniert das.
Ich würde jedem raten, vorher eine Betreuungsvollmacht zu verfertigen und eine Vorsorgevollmacht. Damit jemand da ist, der für einen auch handlungsfähig ist. Das ist eine Grundvoraussetzung, wenn ich jemanden haben möchte, der mich unterstützt als Patient. Dafür muss man noch viel mehr werben. Irgendwo haben die Leute das Formular auch liegen, aber es wird nicht ausgefüllt. Ein Riesenproblem. Man ist selbst verantwortlich dafür, jemanden zu finden, der die Vermittlung macht zwischen dem Krankenhauspersonal und einem selbst.
Selbsthilfegruppen sollten nicht Lücken füllen, sondern immer nur eine flankierende Maßnahme sein. Selbsthilfegruppen sind selten regelrecht an eine Klinik angedockt. Sie wäre wirklich wünschenswert, diese Zusammenarbeit von Selbsthilfegruppen mit den Krankenanstalten. Mit Arztpraxen funktioniert es
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