Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)
ganz gut, mit Krankenhäusern weniger, vielleicht auch deshalb, weil keiner da ist, der es zu seiner Sache macht. Da muss ja mindestens schon ein Chefarzt, der dauerhaft dort angestellt ist, sein Okay geben. Das hängt also an Personen.
Ich plädiere sehr dafür, dass man die Idee von Selbsthilfegruppen in Krankenhäusern vorantreibt. Denn da stecken Idealismus und sehr menschliche Beweggründe dahinter. Davon verspreche ich mir mehr als von einer Planstelle, die am Ende für ein ganzes Krankenhaus zuständig ist.
Der Erfahrene
Dr. Martin Friedrichs, Patientenfürsprecher
Wenn man so will, war er ein Promi-Arzt. An der Botschaft in Moskau, wo ich ihn in den 90er Jahren einst flüchtig kennenlernte, versorgte er nicht nur die deutsche Community im Land. Er hatte Zugang zu Kreml-Größen, zu den wichtigsten Geschäftsleuten im Land. Raissa Gorbatschowa lernte er kennen, die an Leukämie litt und die er später in die Uniklinik Münster verlegte. In New York und an der Mayo Clinic in Rochester machte er Erfahrungen mit Patientenlotsen. Also mit Ärzten, die über ausreichende klinische und praktische Erfahrung verfügen und Neuzugänge beraten und koordinieren. Ehrenamtlich hilft er bis heute bei der Einweisung ausländischer Patienten in deutsche Kliniken. Die würden, so Friedrichs, zu oft sich selbst überlassen, ohne Erklärung hin- und hergeschickt. Noch dazu mit Sprachproblemen, natürlich.
In seiner ganzen medizinischen Laufbahn habe er stets versucht, seine Patienten bei der Einweisung in eine Klinik zu begleiten, »weil niemand die Patienten besser kennt als der Hausarzt oder, vergleichbar, der Internist«. Mit der Spezialisierung in den Disziplinen sei das Problem der Versorgung eher größer geworden. Er zitiert gern Ortega y Gasset: »Ein Spezialist weiß viel von wenig und wenig vom Ganzen.«
Seit sechzehn Jahren hat er die Rolle des Patientenfürsprechers an einem Bonner Krankenhaus übernommen. Wo er oft die Erfahrung macht, dass er zu spät zum Zuge kommt. Missverständnisse haben dann schon das Arzt-Patient-Verhältnis getrübt, Vertrauen zerstört.
Mit der Idee des »Patientenlotsen« geht Dr. Friedrichs seit Langem »Klinken putzen«. Bei Ärzteverbänden, bei Vereinen, bei Politikern. Er zeigt mir den Briefwechsel.
Sein Wunsch: Dass ein erfahrener, medizinischer Patientenlotse zum Bestand einer jeden Uniklinik gehören muss. Einmal für den Kranken, aber auch für den guten Ruf einer Klinik. Die Reaktionen sind bislang zäh, wenig ermutigend.
Ein cooler Hamburger, dessen lakonische Art mich trotz des ernsten Themas manchmal köstlich amüsiert. Ein Optimist im Rentenalter, der weiter argumentieren und die Idee vom Patientenlotsen verbreiten wird.
Der Patient ist krank, nicht sein Organ
Protokoll einer Weichenstellung
Noch zu meiner aktiven Zeit als niedergelassener Internist war ich vor allem neugierig, was denn wohl in den mit einer Vielfalt von Diagnostik und Therapie ausgestatteten Krankenhäusern aus meinen eingewiesenen Patienten würde. Ich wollte außerdem das ungute Gefühl loswerden, dass die Kranken vielleicht falsch eingeschätzt werden. Also besuchte ich meine Patienten regelmäßig während ihrer stationären Aufenthalte. Erkenntnisgewinn war also das eine, die bestätigte Diagnose das andere, aber viel wichtiger war für mich die hohe Wertschätzung der Patienten, dass sich der Hausarzt auch außerhalb der Praxis um seine Schützlinge kümmerte. Diese fanden sich in der Regel in den Kliniken nicht zurecht, weil zu viele Akteure auf sie einwirkten.
Mit immer neuen Ansätzen zu einer personalisierten, also individualisierten und maßgeschneiderten Therapie ist es aus meiner Sicht unumgänglich, dass einer die unterschiedlichen Diagnostiken verschiedener Fachbereiche zusammenführt, um ein optimales Behandlungskonzept aufzustellen. Das ist an vielen Kliniken bereits im Bereich der Krebsversorgung mit sogenannten »tumor-boards« der Fall, für andere Erkrankungen gibt es lediglich so was wie ein »case-management«, das sich aber nur auf bestimmte Krankheiten beschränkt, nicht auf den individuellen Patienten bezogen ist. Das Patientenmanagement muss jedoch in der Hand eines erfahrenen Klinikers liegen, nicht bei Fallmanagern oder ähnlich bürokratischen Erfindungen.
Ein Beispiel aus meiner aktiven Zeit: Ein Patient kam mit einer ungeordneten Diagnose. Ich habe ihn zunächst zum Kardiologen geschickt, bin aber mitgegangen und hab’ gesagt: »Der hat wohl noch etwas anderes,
Weitere Kostenlose Bücher