Entfernte Verwandte: Kriminalroman
geschnäuzt und den Rotz an der Hose abgewischt.
Der war gefährlich, der Asbest, das wusste Pawel, doch er arbeitete still und demütig, ohne nach Entlüftung und Atemschutz zu fragen. Bei all dem Staub, Schmutz, vorstehenden Nägeln und offenen Treppenschächten musste man gut aufpassen.
Pawel drehte sich auf die Seite und versuchte zu schlafen. Man nimmt das Ohr als Kissen und den Gürtel als Decke, so hatte der Vater gesagt, hatte mit seinen Kindern Finnisch gesprochen, wenn er überhaupt einmal etwas gesagt hatte, so ein stiller Mann. Und auch Pawel machte sich nichts aus eitlem Geschwätz. Hier schon gar nicht. Die anderen Männer spielten Karten und fluchten und beschimpften sich gegenseitig. Und schmiedeten Pläne, wie sie wochenlang faulenzen und sich besaufen würden, sobald sie den Lohn bekämen. Pawel mochte ihr Gerede und ihr Johlen nicht, der Lärm hatte etwas Rohes, Hässliches an sich, genau wie die Tätowierungen, die die Kerlesich irgendwo hatten machen lassen, im Knast wahrscheinlich oder in der Kaserne.
Andererseits war es schade, dass Pawel keinen der Männer gut genug kannte, um sich ein Handy bei ihm zu leihen. Er hätte gern zu Hause bei Xenja angerufen, nur um ihr zu sagen, dass er angekommen war und genug zu tun hatte. Und dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte.
Pawel schloss die Augen und spürte sekundenlang den sauberen Geruch seines Zuhauses in der Nase. Er war warm und leicht süßlich, aber kein bisschen muffig.
14
Stadtteil Pakila, Helsinki
Ich stupste die Nase liebevoll gegen die Schulter der Frau. Sie schlug die Augen auf. Irgendwer hatte einmal behauptet, man könne es einer Frau an den Augen ansehen, dass sie kürzlich Sex gehabt hatte, am schlaffen Blick, an der Größe der Pupillen oder was weiß ich. Selbstverständlich, hatte ich geantwortet, ich kann sogar riechen, in welcher Phase ihres Monatszyklus die Frau gerade ist.
»Worüber lächelst du?«, fragte Marjatta.
»Nichts weiter, eine alte Geschichte.«
Marjatta hätte ich die Geschichte sogar erzählen können, als Witz. Sie war unkompliziert, oder sie behielt ihre Verkrümmungen für sich und hatte nicht die Absicht, sie von mir geradebiegen zu lassen.
Sie stand auf, zog den Slip, die weiche Trainingshose und das T-Shirt an und band ihr halblanges Haar mit einem Zopfgummi zusammen.
»Es wird Zeit für dich, wenn du zum Essen zu Hause sein willst«, sagte sie mit einem ganz leisen Anflug von Spott. »Außerdem muss ich mit Rollo Gassi gehen.«
Der Hund kam sofort ins Schlafzimmer, legte die Schnauze aufs Bett und sah mich eher traurig als vorwurfsvoll an. Ein Setter, wiederholte ich in Gedanken, denn ich musste mir seine Rasse jedes Mal von neuem ins Gedächtnis rufen. Ich kannte mich mit Hunden nicht aus, und sie interessierten mich nicht.
Ich kraulte Rollo am Ohr und stand auf.
»Eigentlich finde ich das nicht ganz richtig. Wo du doch ein Kind hast und so. Auch wenn es noch so schön heißt, auf eigene Verantwortung und erwachsene Menschen und wir zerstören keine Ehen«, sagte Marjatta ruhig und verzog den Mund. Sie regte sich selten auf. Vor Jahren hatte sie festgestellt und auch gesagt, sie könne mit mir ins Bett gehen, und das hatten wir dann getan, ohne große Umstände, und ab und zu taten wir es immer noch.
Als wir uns kennen lernten, hatte Marjattas zehnjährige Partnerschaft gerade ein enttäuschendes Ende genommen. Ihr Lebensgefährte hatte erklärt, er suche etwas anderes, und dieses andere waren eine kleine dunkelhaarige Frau, eine Luxuswohnung in Lauttasaari und ein Ferienhaus am Rand eines Golfplatzes.
Marjatta spielte weder Golf noch besuchte sie das Jazz-Festival in Pori oder andere Events, bei denen in die Jahre kommende, gepflegte weibliche Führungskräfte auf Männerjagd gingen. Schwanzfalken, sagte sie mit aufrichtiger Verachtung.
»Mach dir keine Sorgen. Das tue ich schon zur Genüge«, sagte ich und umarmte Marjatta, presste die Kinnspitze in das Grübchen über ihrem Schlüsselbein und spürte ihren süßen Geruch in der Nase. Auf eine genauere Erklärung verzichtete ich, aber ich wusste, dass ich es genossen hatte, eine Weile an nichts zu denken.
Ein grauer Ford Mondeo kurvte in weitem Bogen auf den Hof vor der Halle. Die Reifen quietschten auf dem frischen Asphalt. Ein paar Zentimeter vor meiner Stoßstange kam der Wagen zitternd zum Stehen.
»Teufel auch, was bin ich heute kindisch«, rief Korhonen und stieg aus dem Ford. »Ich hab so gute Laune gekriegt, alsich
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