Entfernte Verwandte: Kriminalroman
hielt eine große Handtasche mit Schottenmuster umklammert.
Ich kehrte zum Eingang zurück. Auf Xenjas fragenden Blick antwortete ich mit einem Kopfschütteln. Serjoscha saß auf einem der Stühle und schlenkerte mit den Beinen. Am Ende des Flurs öffnete sich eine Tür. Korhonen und Parjanne traten heraus, sahen uns und kamen in die Wartezone.
»Wenn die gnädige Frau sich den Mann ansehen würde«, sprach Parjanne Xenja an, untertänig, als zerknautschte er seine Dienstmütze zwischen den Händen, und blickte auf den Fußboden, irgendwo in Richtung Ecke.
Xenja ging und blieb eine Weile in dem Zimmer. Wir standen schweigend auf dem Flur. Ich versuchte Korhonens Blick aufzufangen und hob fragend die Augenbrauen. Korhonen seufzte und schüttelte den Kopf, machte eine flatternde Handbewegung. Die Wächter kamen langsam auf uns zu, strafften sich und klemmten die Daumen unter den Gürtel, an dem ihre Ausrüstung hing.
»Geht mal draußen nachgucken, ob da nicht ein armer Schlucker steht, den ihr rumschubsen könnt«, kommandierte Korhonen.
»Kripo Helsinki, alles in Ordnung«, beschwichtigte Parjanne. »Benimm dich, Teppo«, fauchte er Korhonen an.
»Ich kann diese Nazis überhaupt nicht leiden«, sagte Korhonen, schien aber nicht wirklich wütend zu sein. Ich wusste, dass er ganz besonders unberechenbar war, wenn er so aussah wie jetzt, mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen, abereinem harten Blick in den grauen Augen. Die einzelnen Teile seines Gesichts passten nicht zueinander, wie bei dem Kinderspiel, in dem man Ober- und Unterteil verschiedener Gesichter zusammenfügt.
»Benimm dich«, wiederholte Parjanne ein wenig lauter und ernster.
Xenja kam mit hängenden Schultern auf den Flur. Sie warf sich in meine Arme, fühlte sich kompakt und warm an.
»War es Pawel?«, fragte ich in ihre Haare.
»Nein«, schluchzte Xenja. »Ein ganz fremder Mann.«
»Entschuldigen Sie, gnädige Frau, sind Sie ganz sicher?«, hakte Parjanne nach. »Bei den schweren Verletzungen?«
»Ich kenne doch meinen Mann«, fuhr Xenja ihn an. Sie tupfte sich die Augen mit einem kleinen Taschentuch und steckte es in ihre Schürzentasche. Sergej trat zu ihr. Xenja strich dem Jungen über den Kopf und versuchte zu lächeln.
Wir gingen hinaus. Matti Kiuru saß auf dem Geländer vor meinem Mercedes. Korhonen und Parjanne hatten ihren weißen Golf gleich daneben geparkt. Ich drückte auf die Fernbedienung, und Matti hielt Xenja und Serjoscha höflich die Tür auf.
»Der Herr Direktor hat seinen Sekretär mitgebracht. Oder eher seinen Waffenträger, wenn man dem fleckigen Overall traut«, dröhnte Korhonen, während er die Sonnenbrille aufsetzte. »Pass nur auf, dass die Plüschsitze in deinem Führungsstern nicht dreckig werden. Na ja, man kriegt ja auf Bestellung neue Bezüge aus Deutschland. Aber die sind teuer, du gibst dem Autohändler fünf Riesen und kriegst ein paar lumpige Hunderter zurück. Und angepflaumt wirst du gratis. Obendrein prahlt neben dir ein Taxifahrer, er hätte die Leichtmetallfelgen seines Kumpels von der Steuer abgesetzt. Die Kerle machen einem wirklich Laune.«
»Jetzt hast du dich mal ein paar Minuten anständig benehmen müssen, und schon drehst du durch. Hat der arme Teppo die falschen Pillen genommen?« Korhonens leeres Gerede wurde mir allmählich zu viel. Wenn er so weitermachte, würde ich ihn unmissverständlicher zu seelischer Harmonie und geistigem Gleichgewicht anhalten.
»P-R-O pro, F-I fi, H-E-L hel … so schreibt man Profihelfer. Ich kann das schon, brauchst mir nichts mehr beizubringen.« Korhonen sprach mit mir, sah dabei aber Matti an. »Ich denke nur laut darüber nach, in welcher Beziehung ihr zueinander steht, weil ihr dauernd gemeinsam unterwegs seid. Ist das dein Leibwächter? Hat er eine Waffe?«
»Er hat keine Waffe. Die Kalaschnikows sind verkauft, das Maschinengewehr liegt hinter Schloss und Riegel in einem Container in der alten Halle und die Pistole steckt im Reservereifen im Kofferraum. Quatsch, sie liegt natürlich vorschriftsmäßig im Waffenschrank, das weißt du doch«, erläuterte ich gelangweilt, sagte so ernsthaft die Wahrheit, dass sie sich wie ein Witz anhörte.
»Was redest du da?«, fragte Parjanne dennoch interessiert.
»Der liebe Viktor verarscht uns«, mischte sich Korhonen ein und ließ nur mich erkennen, dass er sich amüsierte. »Der Bubi hat höchstens eine Spielzeugpistole in der Hose. Und das ist wahrscheinlich auch bloß eine Billigkopie oder so eine
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