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Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Titel: Entfernte Verwandte: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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Beispiel in die Uniklinik gebracht wird, weil er operiert werden muss. Ich weiß noch nicht, was ihm passiert ist, aber für alle Fälle.«
    Damit brauste ich davon.
    Ich schaute nicht in den Rückspiegel, während ich nach Hause fuhr. Matti kannte den Weg und war fähig, selbständig zu handeln.
    Marja hängte gerade die Wäsche auf. Sie sah mir am Gesicht an, dass etwas passiert war.
    »Pawel ist vielleicht gefunden worden«, antwortete ich, bevor sie fragen konnte.
    Marja hob warnend die Hand. Erst jetzt sah ich, dass Sergej hinter ihr stand und stolz wie ein Postillon Wäscheklammern anreichte, aus einem Stoffbeutel, der ihm um den Hals hing.
    »Serjoscha, hol deine Mutter«, sagte ich. Es war zu spät, umdie Sache herumzureden, der Junge hatte meine Worte gehört und verstanden.
    Xenja kam aus dem Haus und trocknete die nassen Hände an der Schürze, sah aus wie eine Hausfrau auf den scheinbar spontanen Küchenfotos der Illustrierten, mit sorgfältig frisierten Haaren, im Sommerkleid, zierliche Sandalen an den Füßen.
    »Herr im Himmel«, rief sie. »Stimmt es, dass Pawelka gefunden wurde?«
    »Man hat einen Mann gefunden, der wahrscheinlich Russe ist und Pawel sein könnte«, schränkte ich ein. »Er lebt, ist nur ein wenig verletzt. Wir fahren zur Klinik und schauen nach. Es ist nicht weit.«
    Xenja und Sergej setzten sich auf die Rückbank, als wäre ich ein Taxifahrer, doch irgendwie schien das der Situation angemessen. Kies flog auf, die Hinterreifen drehten durch und am Armaturenbrett flammte ein gelbes Dreieck auf, weil die Sensoren festgestellt hatten, dass der Wagen keine Bodenhaftung hatte. Matti Kiuru hatte seinen dunkelroten Mazda weiter unten am Hang geparkt und folgte uns.
    Ich war schon ein paar Mal in der Ärztestation und der Klinik in Malmi gewesen. Einmal war mir irgendetwas ins Auge geflogen, einmal hatte ich einen estnischen Zimmermann, der sich mit der Kreissäge in die Hand geschnitten hatte, zum Nähen hingebracht. Dennoch musste ich genau aufpassen, wo es zur Praxis ging und wo der Weg zur Poliklinik abzweigte.
    Ich fand einen freien Parkplatz. Matti suchte noch. Ich winkte ihm zu und führte Xenja und Serjoscha zum Eingang. Die Tür glitt auf, ich hörte, wie Xenja tief Luft holte.
    Gleich hinter dem Eingang zweigte links und rechts der Krankenhausflur ab. Auf der linken Seite befand sich ein kioskartiger Empfangsschalter, dessen Fenster mit Notizzettelnund Anweisungen zugepflastert waren. Ein Sanitäter stützte sich auf den niedrigen Schaltertisch und wartete darauf, dass die an einer Schreibunterlage befestigten Blätter abgezeichnet wurden. Auf einer Krankenbahre lag eine alte Frau. Sie drehte ihren grauen Kopf hin und her wie ein verschreckter Vogel und blinzelte langsam mit den Augen, stellte dann mit leiser Stimme eine Frage. Der Sanitäter antwortete erst nach einer Weile, ja, so ist es, Tantchen bleibt jetzt eine Weile hier, bis die Schwindligkeit sich legt.
    Xenja sah sich aufgeregt um. Über den Flur gingen Pfleger in grünen Anzügen.
    Ich fasste Xenja am Arm, führte sie zu einer kleinen, offenen Wartezone und bat sie, mit Serjoscha hierzubleiben, bis ich sie holte. Im Wartebereich standen ein Kunstledersofa und ein paar Stühle, der Fernseher war so hoch an der Wand befestigt, dass man kaum etwas sehen konnte. In der Ecke saß ein Mann mit einem weißen Kopfverband, der nur die Augen und die schon vor Jahren krumm geschlagene Nase frei ließ. Der Mann hatte die Beine gesittet übereinandergelegt, wischte sich aber die triefende Nase am Handrücken ab, der von Tätowierungen gesprenkelt war.
    Ich ging den Flur entlang. Zwei grau gekleidete Wächter standen an der Wand und starrten mir nach. Am Schalter wurde offenbar immer noch darüber diskutiert, wohin die alte Frau gebracht werden sollte. Mir schoss der beunruhigende Gedanke durch den Kopf, dass auch ich eines Tages alt sein würde, doch ich verbannte ihn in weite Ferne, wo sich hoffentlich auch das Alter befand. Ich wusste, dass die Besorgnis zurückkehren würde und nahm mir vor, sie dann zuzulassen.
    Auf dem Flur standen zwei Krankenbetten, nur durch einen kleinen Stoffschirm voneinander getrennt. Im einen lag ein jungerMann unter einer Wolldecke, neben dem Bett standen Pantoffeln. Der Mann, fast noch ein Junge, atmete mühsam durch den Mund, in den Augenwinkeln und auf den Backen waren die Spuren von Schlägen zu sehen. Im nächsten Bett lag eine Frau in mittleren Jahren, ein Bein geschient und hochgezogen. Sie

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