Entfernung.
Essiggeschmack. Das war typisch englisch. Das war typisch für den schlechten Geschmack dieser Leute. Chips und dann mit Essiggeschmack. Vor denen musste sie herumliegen. Wie sollten die einen Körper ordentlich zeichnen, wenn sie doch so etwas aßen. So ein fettes Zeug und dann Essig darüber. Kein Wunder, dass sie dann fett wurden. Fettsüchtig. Sebastian und diese Frau. Diese Hexe von Miss Greenwood. Miss. Ja. Das konnte man sich vorstellen. Selma lag da und hasste. Der Hass. Sie lag. Sie konnte sich nicht bewegen. Sie war in der gekrümmten Haltung mit den Händen den Kopf schützend eingefangen. Erstarrt. Und sie hatte das deutliche Gefühl im Hass zu rollen. Sich im Hass zu wälzen. Sich wie ein Tier im Hass herumzuwerfen. Von hinten hörte sie das Kratzen und Wischen und Atmen und Räuspern. »This line here is much more tired. Look. Here.« Miss Greenwood. Die Geräusche machten ihr kalt. Sie lag. Den Kopf mit den Händen umklammernd eine tiefe Kälte im Rücken. Sie wünschte sich, das Schauspiel des Wälzens. In das Schauspiel des Wälzens ausbrechen zu können. Der Wunsch ließ sie noch starrer werden. Noch erstarrter. Dann riss sie die Hände vom Kopf. Löste die Hände vom Kopf. Legte die Hände auf den Boden. Ließ die Hände liegen. Ließ den Händen Zeit. Ließ den Händen einen Augenblick Zeit, sich aus der Krümmung zu entspannen. Das Handgelenk flach liegend. Dann fasst sie ein Herz und straffte die Muskeln im Rücken. Sie hob den Oberkörper vom Boden. Stützte sich auf die Hände auf. Richtete sich auf. Saß auf ihren Unterschenkeln. Sie richtete den Kopf auf. Der Wecker ratschte. Miss Greenwood klatschte in die Hände. Sie sollten keine Pause mehr machen. Sie sollten lieber gleich die Ergebnisse beurteilen. »Judge the results.« Selma stützte sich auf. Stand auf. Sie war zu alt für solche Dinge. Ihre Gelenke. Wenn sie so lange ruhig hielt. Ruhig halten musste. Es dauerte, bis sie sich wieder bewegen konnte. Sie schlüpfte in den Mantel. Stieg von der Bühne. Vorsichtig. Sie konnte ihre Beine nicht so schnell. Sie stieg in die Schuhe. Sie zog die Schuhe nicht richtig an. Sie blieb mit den Fersen draußen und stakste weg. Sie watschelte. Zog die Schuhe bei jedem Schritt über den Boden nach. Niemand konnte so sehen, dass sie steif war. Wie steif sie war. Dass ihre Beine so steif waren, dass sie kaum gehen konnte. Und dass ihre Hüften unbeweglich. Sie stolperte um die Bar. Schlurfte zur Tür. Sie zog die Tür auf. Sie schleuderte die Schuhe vor sich in den Raum. Stürzte in den Raum. Zuerst musste sie auf die Toilette. Sie konnte kaum die Tür verriegeln. Hinter sich. Aber sie fühlte sich gerettet. Sie war vor etwas Großem und Dunklem gerettet. Sie war müde. Als wäre sie weit gelaufen. Und lange. Sie überlegte, ob sie duschen sollte. Die Dusche gleich neben der Toilette. Sie musste nicht einmal aufstehen, den Wasserhahn aufzudrehen. Die Dusche nur eine Ecke des Waschraums. Das Wasser lief in einer Senke in der Ecke ab. Sie saß auf der Toilette und hielt die Beine unter den Strahl der Dusche. Das Wasser kalt. Sie wartete. Das Wasser wurde nicht wärmer. Sie stand auf. Es gab kein Handtuch. Sie trocknete auch die Beine mit Toilettenpapier ab. So gut es ging. Dann nahm sie den Morgenmantel und rieb ihre Beine trocken. Sie ging in die Garderobe und zog sich an. Schnell. Sie hatte ihre Kleider sorgfältig hingelegt. Die Hose über den Sitz des Sessels. Die Jacke über die Rückenlehne. Das Top über die Jacke. Die Unterwäsche aufgelegt. Wie zum Hineinspringen. Slip und BH. Es war gut, die Stoffe auf der Haut. Sie strich über die Stoffe. Ließ sich die Stoffe auf der Haut und auf den Händen spüren. Die Hose. Die Jacke. Die Schuhe. Wohlig. Es war wohlig, sich wieder angezogen zu wissen. Sie setzte sich auf den Sessel. Sah den Schminktisch an. Von der Seite. Sie wollte kein Spiegelbild. Sie wollte in dem wohligen Gefühl in sich bleiben und kein Spiegelbild von außen einen Kommentar dazu. Sie hatte ihre Tasche hier stehen lassen. Hätte sie es bemerkt, wenn sich jemand in diesen Raum gestohlen hätte. Die Tür zur Garderobe. Licht war nur rund um die Bühne und die Staffeleien gewesen. Sie schaute nicht in die Tasche. Sie blieb sitzen. An der Wand. Außer Reichweite des Spiegels. Was war das nun. Was war das nun gewesen. Sie sah sich um. Alles abgebraucht. Verbraucht. Spuren. Sie hatte nichts hinzugefügt. Sie konnte sich vorstellen, warum man in Zellen etwas an die Wand schrieb. Warum es
Weitere Kostenlose Bücher