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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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nämlich gut ausgefallen. Besser jedenfalls, als sie es sich vorgestellt hatte. Was sie trinken wolle. Ob Selma auch einen G&T nähme. Selma nickte wieder. Sie wusste zuerst nicht, was ein G&T sein sollte. Dann erinnerte sie sich, dass das ein Gin Tonic war. Und ihr Englisch. Sie baute im Kopf Sätze zusammen. Aber sie brauchte zu lang und die Sätze waren zu kompliziert. Miss Greenwood stand an die Bar gelehnt. Stützte sich mit beiden Armen auf der Bar auf. Sie war alt. Sie sah sehr alt aus. Das Gesicht tief durchfurcht. Weit über 70, dachte Selma. Die Frau sah auf die Theke vor sich. Sie war größer als Selma. Sie war ein wenig größer als Sebastian, der hinter der Bar nach den Flaschen suchte. Das müsste aber ihre Einladung sein, sagte Selma. Die alte Frau wandte sich ihr zu. »Why would that be.« fragte sie. Sebastian schob ihnen hohe Gläser zu. Er schnitt eine Limone in Scheiben und warf eine Scheibe in jedes Glas. Miss Greenwood griff nach dem Glas. Sie hielt es. Selma dachte, dass sie das Glas sehr fest hielt. Besitzergreifend. Sie stand da. Miss Greenwood sprach mit Sebastian über die Hitzewelle. Und wie das in ihren Wohnungen war. Mit der Hitze. Selma sah Miss Greenwood vor sich. Wie sie sich auf diesen G&T hin. Miss Greenwood trank winzige Schlucke von der hell perlenden Flüssigkeit in ihrem Glas. Es war zu sehen. Sie trank vorsichtig. Keinen Schluck nebenbei. Jeder Schluck die Hauptsache. Das Gespräch in dem knurrigen Ton. Sie erzählte von dem Fenster in ihrem Wohnzimmer, das nicht aufzumachen sei. Das »stuck« wäre. Ihr Ton war derselbe, wie sie Selma aufgetragen hatte, den Arm wieder höher zu heben. »Gruff« fiel Selma ein. Knurrig. Aber »gruff« gefiel Selma besser. Es passte besser. Der Ton machte die Selbständigkeit dieser Person aus. Wenn der erste Drink nun Selmas Einladung gewesen wäre, dann müsste sie jetzt ihre Pflicht erfüllen. Sebastian zog das leere Glas der alten Frau zu sich und schenkte neu ein. Selma hatte einen Schluck genommen. Der Geschmack des bitteren Tonics mit dem Gin am Grund viel zu verführerisch. Sie hätte das Glas in sich schütten mögen. Genussvoll. Neben der alten Frau stand und kaum nippte. Sich entfernt fühlte. Einen großen Abstand zwischen sich und der Welt. Sie hoffte, im Alter von Miss Greenwood. Sie wollte so scharf und genau sein. So unbestechlich wie diese Frau. Aber vielleicht ließ sich ein anderes Glück basteln, als sich einen G&T vergönnen zu dürfen. Aber vielleicht war das Glück. Was verstand sie schon davon. Auf der anderen Seite des Raums wurde aufgeräumt. Die Staffeleien wurden zusammengelegt und in einen Raum unter dem Stiegenabgang verstaut. Alle gingen und räumten. Die neuen Zeichnungen hingen an der Stirnwand. Selma konnte die Rückenansichten sehen. Ob professionelle Modelle sich die Zeichnungen von sich ansähen, fragte sie Miss Greenwood. »Depends.« sagte die. Sie schob das Glas auf der Nirostaoberfläche hin und her. Selma schaute nach hinten. Sie dachte, die alte Frau wollte nicht reden. Sebastian hatte Bierflaschen aus dem Eiskasten unter der Theke geholt und aufgemacht. Die drei starken Männer kamen an die Bar. Sie schoben Sebastian Geldscheine zu. Sebastian schob je eine Flasche Bier zurück. Die Männer griffen nach dem Bier. Woher Selma käme. Ob sie aus London stamme. Selma sagte, dass sie aus Wien käme. Aus Österreich. Oh, sie solle sich keine Sorgen machen, sie wüssten wo Wien läge. Sie würden Österreich nicht mit Australien verwechseln. Schon allein, weil der Opernball in Sidney sicherlich nicht so grandios sei wie in Wien. Die Männer lachten sie an. Selma prostete ihnen zu. Das sei doch sehr erfreulich, sagte sie. Sie habe lange in Wien im Theater gearbeitet, aber sie hätten es nicht geschafft, den Opernball in seiner Bedeutung einzuholen. Das sei also ein Geständnis ihrer Niederlage. Sie hob ihr Glas. Die Männer hoben ihre Bierflaschen. Was sie in London mache. Sie arbeite hier als Modell. Das wäre doch ersichtlich. »Isn’t that self-evident?« Sie lachten alle. Tranken. Die anderen kamen an die Bar. Das sehr junge Paar rief vom Stiegenabsatz herunter sein »Goodbye.« Der älteste der drei starken Männer wollte Miss Greenwood auf einen Gin Tonic einladen. Miss Greenwood gestatte das. Sebastian füllte ihr Glas nach. Alle hatten sich um die Bar geschart. Sebastian nahm Geldscheine in Empfang und teilte Bier aus. Selma fragte sich, ob das sehr junge Paar nun bezahlt hatte. Offenkundig bezahlte

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