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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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Glitzernd bestickte Jeans. Eng um die Hüften. Um die Oberschenkel. Die Gürtel weit unter den Hüftknochen. Unter der Bikinilinie. Die Tops bis knapp unter die Busen. Hauteng. Spaghettiträger. Alle hatten lange Haare. Glatt gezogene Haare in stumpf abgeschnittenen Stufen. Die jungen Frauen stelzten auf hohen Absätzen die Stiege herunter. Ob sie Hilfe bräuchte, fragten sie. Selma verneinte. Die jungen Frauen waren stehen geblieben. Standen um sie. Beugten sich über sie. Ihre Gesichter besorgt. Diese kleine Ausstellung hier, sagte Selma. »This tiny exhibition.« She was cleaning house. And that was necessary after going overboard at the concert just now. Das verstünden sie sehr gut, nickten die jungen Frauen. Und wäre das nicht die beste old girls band, die man sich vorstellen könnte. »These old pets«, nannten sie die Musikerinnen. Und ob Selma nicht mitkommen wolle. Sie kicherten. Sie gingen noch partycrashen. Nach Kensington. Oder Mayfair. Sie gingen noch auf die Suche nach den jungen Prinzen. Sie kicherten. Rüde. Bedeutungsvoll rüde. Selma wünschte ihnen Glück. Sie sollten die Prinzen nur tüchtig an die Wand werfen. Wenn sie auf Prinzen stoßen sollten. Die Mädchen versprachen das. Sie würden ihren Spaß haben. In jedem Fall würden sie ihren Spaß haben. Und gute Nacht. Sie gingen davon. Lachend und redend. Sie hielten ihre handys in der Hand. Schwenkten die handys. Hielten die handys einander vor. Verglichen etwas auf den displays. Sie machten Fotos. Von hinten die langen Haare weit den Rücken herunter. Alle Mädchen waren gleich dünn. Hatten flache Bäuche. Große Busen. Die Hautfarben. Hellhonig bis dunkler Waldhonig. »Take care.« rief Selma ihnen nach. Zu ihrer Zeit. Wenn man so dünn gewesen war. Dann hatte man keinen Busen gehabt. Selma schaute zu Minnie Mouse hinauf. Ja, gab sie zu. Es war widersinnig. Wenn man als Mädchen. Also frau. Wenn frau als Mädchen dünn gewesen war. Mager. Frau war damals mager gewesen. Twiggy-ähnlich. Wie kam es zu dieser strammen Dünnheit. Zu dieser uneckigen Dünnheit. Aber wahrscheinlich war gar kein Unterschied und es war nur ihre Erinnerung. Und dann. Sie packte ihre Sachen zusammen. Es schloss sich ein Kreis. Sie stopfte das Dior-Täschchen und das Schreibzeug in die Mappe mit den Unterlagen. Steckte alles andere in die Tasche zurück. Es schloss sich noch ein ganz anderer Kreis. Minnie Mouse. In »The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy« gab es ja die Theorie, dass die Mäuse die Menschen beobachteten. Bei den Experimenten. Und nicht umgekehrt. Und dass die Welt von den Mäusen erfunden war. Selma stand auf. Sie nahm ihre Sachen. Ging. Sie nickte Minnie oben zu. Sie konnte nicht winken. Sie hatte keine Hand frei. Aber wenn schon Mäuse die Welt beherrschten, dann war ihr Minnie Mouse recht. Lieber als Micki Mouse. Jedenfalls. Der doch immer nur mit Pluto herumzog. Unten. In der Halle. Die Frau am Tisch schrieb auf ihrem laptop. Die Frau saß vorgebeugt. Auf den Bildschirm starrend. Die Hände über der Tastatur. Die braucht eine externe Tastatur, dachte Selma. Sie wird sich ihr Genick total ruinieren. Die Frau sah nicht auf. Selma ging durch die Halle. Der Boden weißrosig im Licht der roten Lichtkugeln des Lusters. Es gab keinen Papierkorb. Für ihren Abfall. Sie drückte die riesige Klinke nieder. »Fasces«, dachte sie. Diese Kornbündel, die die Klinke bildeten. Das waren doch fasces. Solch bändergeschmückte Korngarben. Es fehlten die Beile. Von oben wieder Musik und die Bargeräusche. Die Tür oben aufgegangen. Sie ging hinaus. Stemmte die Tür von außen zu. Sie ging vom Haus weg. Kein Lichtschein. Kein Geräusch. Das Haus lag dunkel und lautlos hinter ihr. Die Musik und das rote Licht innen in dieser dunklen Hülle wissend. Die vielen Menschen. Die vielen Frauen. Trinkend. Lachend. Tanzend. Schmusend. Redend. Sie ging. Schnell. Wollte von niemandem eingeholt werden. Sie wandte sich nach rechts. Ein Gehsteig. Erst das dunkle Haus entlang. Dann eine Feuermauer. Licht nur von der Peitschenleuchte über dem schmalen Durchgang links. Drüben. Und die Sicherheitsscheinwerfer in der Straße vom Parkplatz weg. Selma ging. Lauschte. Von sich hörte sie das Reiben der Hose. Die um die Hüfte gebundene Jacke raschelte. Sonst war nichts zu hören. Ihre Schuhe lautlos. Am Ende des Parkplatzes. Selma kam an eine Ecke. Eine Lagerhalle. Nach rechts eine dunkle Straße. Erst wieder weit vorne Licht. Ein Widerschein. Sie überlegte, den Weg zurückzugehen,

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