Entfernung.
der Frau hinter Selma bereit. Selma wiederholte »Thank you for nothing.« Ihre Stimme immer noch rau. Sie sagte das vor sich hin. Sie hatte das einmal in New York gehört. Eine erboste Schwarze hatte das einem Taxi nachgerufen. Das Taxi hatte nicht gehalten. Für die Afroamerikanerin. Es hatte geregnet und das Taxi hatte die Frau beim Vorbeifahren noch angespritzt. Die Kassierin hatte sie nicht eines Blicks gewürdigt. Selma ging hinaus. Sie ging an der Reihe der Männer an der Wand vorbei. An der Ecke. Sie hörte jemanden rufen. Fluchen. Dann wieder die Geräusche wie vorher. Die Autos. Schritte. Getrappel. Wortfetzen. Bevor sie ganz um die Ecke. Sie drehte sich um. Ein Mann am Boden. Er setzte sich gerade auf. Er schien den Mann mit der Zeitung zu beschuldigen. Er fuhr mit dem Zeigefinger auf den Mann hin. Redete auf den Mann hin. Der Mann mit der Zeitung. Er saß mit den angezogenen Beinen. Zuckte mit den Achseln. Er sah in Richtung Selmas. Sah Selma. Er hob die Hand. Selma winkte zurück. Sie ging davon. Schnell. Sie war fröhlich. Kindisch fröhlich. Der Gruß des Mannes mit der Zeitung machte sie fröhlich glücklich. Der Mann hatte dem Sicherheitsbeamten das Bein gestellt. Es hatte so ausgesehen. Der Mann mit der Zeitung hatte ihr geholfen. Sie eilte davon. Auf der belebten Straße. Sie ging außen. Sie ging an den Hauswänden. Hielt sich auf der Seite des Fußgängerstroms. Man lernt schnell, dachte sie. Sie hatte so weniger das Gefühl, gemieden zu werden. Sie bog dann ab. Sie ging durch einen Durchlass. Kam auf eine Straße mit Wohnhäusern. Auf jeder Seite der gebogenen Straße je eine lange Hausreihe. Stufen zu den Eingangstüren. Stiegen zu den Kellergeschossen. Die Häuser verlassen. Die Fenster eingeschlagen. Über die Türen Bretter. Die Haustüren waren auf der einen Seite rot angestrichen gewesen. Auf der anderen blau. Dunkelrot und dunkelblau. Die Eingänge eng aneinander. Jeder Hausteil schmal. Immer nur ein kleines Zimmer über dem anderen. 3 Stockwerke. Jedes Haus hatte 3 Zimmer. Und eine Küche nach hinten hinaus. Keith hatte so gewohnt. Größer alles. Aber vielleicht auch nicht. Sie setzte sich auf die Stufen zu einem Haus mit roter Tür. Die Tür verschlossen. Nicht vernagelt. Der Lack staubig und matt, aber nicht vernagelt. Sie setzte sich. Sie schob den Rucksack zwischen die Hausmauer und das Geländer zur Kellerstiege nach rechts. My illgotten gains, dachte sie und machte das Perrier auf. Das Wasser nicht kalt. Die Kohlensäure bitter perlend. Ihre Kehle verbrennend. Sie hätte ausspucken sollen. Den Mund erst spülen. Den Rauch und den Staub. Sie schluckte. Wie immer, dachte sie. Das war lustig. Irgendwie war sie ja fucked up. Die Parallele nicht zu übersehen. Nicht ganz falsch. Jedenfalls. Und vielleicht saß sie in der Straße, in der Keith gewohnt hatte. In der er dann den Telefonhörer neben das Telefon legen hatte müssen. Damit er nicht vor der gerade wiedergefundenen Jugendliebe mit ihr reden hatte müssen. Keith war ein Opfer der sexuellen Revolution gewesen. Er war damals über 40 und war sicher gewesen, alles versäumt zu haben. Die Telefonblockade hatte er die ganze Nacht aufrechterhalten müssen. Es war eine öde Geschichte gewesen. Das interessanteste daran die Gelegenheit, nach London zu kommen. Und den Wiener Freundinnen sagen zu können, dass sie von Mailand am Wochenende nach London fliegen musste. Zu einem Liebhaber. Das war damals wichtig gewesen. Beute machen. Sie trank. Kleine Schlucke. Dann ging es. Aber sie sollte nicht zu viel trinken. Sonst musste sie gleich wieder ein Clo suchen. Sie sah sich um. Sie hatte den Rucksack nicht abgenommen. Der Rucksack ein Polster. Den Rücken stützend. Sie stellte die Flasche ab. Sollte sie die Flasche stehen lassen. Sie sollte sie mitnehmen. Sie war ganz allein. Hier. Kein Auto. Keine Personen. Der Lärm der Stadt hinter den Häusern. Rund um sie war es still. Man konnte in solche Häuser kriechen. Man konnte sich in solchen Häusern verkriechen. Wenn man in Häuser gehen konnte. Wenn man durch eine Tür in einen Raum gehen konnte. Wenn man sich in einem geschlossenen Raum aufhalten konnte. Sie machte die Augen zu. Schon die Vorstellung davon löste Schwindel aus. Der Schwindel eine kurze Spirale in ihr. Der Schwindel warf sie innen in einer Spirale herum. Scharf und kurz und dann lange verebbend. Sie behielt die Augen zu. Es war schwierig, Luft zu holen im drehenden Nebel. Sie konnte nicht auch noch die Welt drehen haben. Ein
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