Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
Vom Netzwerk:
der weinenden Frau sah vor sich hin. Sah dem Getriebe in der Halle zu. Selma stellte sich in die Reihe. Vor dem Durchgang zu den Terminals eine Schlange. Gepäcktrolleys quer. Selma musste sich einen Weg bahnen. Sie schob einen Trolley zur Seite. Eine Gruppe Italiener nahm ihren Platz ein. Selma reihte sich hinter sie ein. Die 3 Frauen auf der Bank. Sie saßen da. Die mittlere weinte. Die rechte tupfte die Tränen weg. Die linke schwenkte ihre Beine unter dem langen schwarzen Rock und schaute sich um. Der junge Mann stand hinter dem Koffer. Selma fragte sich, wer von diesen Personen abreiste. Oder ob alle zusammen wegfuhren und es ein anderer Abschied war. Ein Abschied von jemandem, der gar nicht da war. Die Tränen der Frau. Niemand sah hin. Alle Blicke streiften diese Frau. Vermieden es, die Frau wieder anzusehen. Die Italiener vor Selma. Sie unterhielten sich über diese Personen. Sie fanden es eine Zumutung. Sie besprachen, wo man auf diesem Terminal ein Glas Champagner bekommen konnte. Sie sahen sich um. Besprachen die Architektur. Sie fanden die Halle scheußlich. Selma fand die Halle auch scheußlich. Aber bei den Bemerkungen der Italiener. Sie ärgerte sich. Hätte das Aussehen der Halle verteidigt. Selma hatte den Rucksack auf den Boden gestellt. Sie schob ihn mit den Füßen nach vorne, wenn die Schlange weiter vorrückte. Hinter ihr. Sie hörte »Wie ich ein Kind war.« Die Frau ließ die Tränen rinnen. Der junge Mann hatte sich nicht bewegt, seit Selma ihm zusah. Er stand gespannt. Er war angespannt. Selma dachte, es könnte jeden Augenblick. Eine Handlung. Eine Reaktion. Es könnte jeden Augenblick etwas geschehen. Die Anspannung ließ ihre Unruhe ansteigen. Und sie wollte alles wissen. Wer diese Personen waren. Wie sie zueinander standen. Wie sie zusammengehörten. Warum sie auf diesem Flughafen gelandet waren. Was in dem Koffer war. Wem der Koffer gehörte. Wohin. Sie kam an die Kontrolle. Sie hob den Rucksack wieder auf. Schwang ihn über die Schulter. Sie hielt ihre Boardkarte hin. Der Beamte winkte sie durch. Kontrollierte ihre Boardkarte nicht. Selma ging an dem Mann vorbei. Sah sie so spießig aus. Traute ihr der nicht zu, eine Terroristin zu sein. War sie die Kontrolle nicht wert. Vor dem Caviar House gleich beim Eingang drehte sie sich um. Die 3 Frauen saßen auf der Bank. Der junge Mann stand da. Selma ging den Gang in Richtung Terminal A hinunter. Die aufgeschürfte Haut an der Achillessehne schmerzte.

4
    Sie ging an den Bankschalter. Gleich nach dem Eingang. Rechts. Sie musste warten. Hatte Zeit, das Geld aus der Tasche zu kramen. Bereitzuhalten. Der Mann war beschäftigt. Sie stand. Schaute durch die Glasscheiben auf die Halle zurück. Das Getöse in der Halle durchzuhören. Gedämpft. An den Check-in-Schaltern rechts stellten sich Passagiere an. Die Menschen, die sich für den Eingang einreihten, mussten diese Schlangen umgehen. Die 2 Menschenschlangen gerieten durcheinander. Sie konnte die Frauen auf der Bank nicht mehr sehen. Dichtes Gedränge. An diesen Schaltern da gleich rechts. Da hatte sie oft eingecheckt. Da war KLM gewesen. Die Flüge in die USA. Da hatte man sich hier angestellt. Da war man damals schon denen im Weg gewesen, die auf dem Weg zum anderen Eingang waren. Ivan. Er war nicht erstaunt gewesen, sie da zu sehen. War nicht verwundert. Hatte nicht gefragt, warum sie nach Los Angeles angestellt stand. Er hatte sie gegrüßt, als hätten sie einander gerade erst gesehen. Gerade erst kennen gelernt. Sein Tod. Wie sollte sie traurig sein, wenn er sie so gegrüßt hatte. Damals. Er war wohl. Die Bitterkeit ein metallischer Geschmack. Ein glatter metallischer Geschmack am Gaumen. Ivan. Ivan war ja nun wohl überholt. Anton hatte sich den ersten Platz verdient. Die größte Enttäuschung ihres Lebens. Das war nun wohl Anton. Und manchmal fiel ihr das gar nicht gleich ein. Manchmal lebte sie. Fühlte sich in der Zeit davor. Vor der Heimkehr nach Zagreb. Ivan. Glücklich war sie gewesen. Nicht mit ihm. Aber seinetwegen. Bei der Fahrt nach Zell am See. Nicht mit ihm. Davon war nichts übrig. Aber auf der Fahrt. Eine singende Vollkommenheit. Sie war im Auto gesessen. War gefahren. Die Westautobahn. Und eine jubelnde Vollkommenheit. Die Erwartung. Singen hatte müssen. Die ganze Fahrt. Alles richtig gewesen. Alles. Einmal und. »Ja. Bitte.« sagte der Mann am Schalter. Er zählte Banknoten. Lehnte sich gegen das Glasfenster. Sah auf die Scheine in seiner Hand. Wie er sie in

Weitere Kostenlose Bücher