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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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ein schwarzer Schlaf gewesen und die erste Erinnerung an sich selbst dieser Ton. Aber dann wohl geträumt hatte. Obwohl. Sie schnarchte. Sie hatte zu schnarchen angefangen. Sie wachte jetzt manchmal auf und hörte sich. Schnauben. Gurgelnd ächzen. Röcheln. Und deshalb begonnen hatte, lieber allein zu schlafen. Es war widersinnig. Sie hatte das Schnarchen vom Anton diese ganzen 15 Jahre. Es hatte sie nicht einmal sehr gestört. Es war wie das Geräusch von Regen. Oder ein Auto. Draußen. Auf der Straße. Ein alter Dieselmotor und das Einparken lange dauerte. Und sie im Bett gelegen und gewartet, bis das Auto eingeparkt. Und dann wieder eingeschlafen. Sich selber. Sie war sich selber nicht selbstverständlich. Aber das war ja auch Zivilisation. Es war mit dem Anton beredet. Sie wollte sich ihm und sich nicht so. Nicht zumuten. Sie zog sich lieber zurück. Sie fand das zivilisierter. Er hatte das verstanden. Und es war. Es hatte alles interessanter gemacht. Sex. Das war wieder. Da war doch alles in Ordnung gewesen. Mehr als in Ordnung. Sie hatten doch. Es war ein neuer Beginn gewesen. Aber natürlich war das der Anfang vom Ende gewesen. Und der Anton hatte das nicht. Der hatte das nicht aushalten können. Altern. Alt werden. Älter. Zuerst einmal älter. Das war der Hauptgrund gewesen. Das musste der Hauptgrund gewesen sein. Es hatte mit ihr nichts zu tun. Wenn er ihr das immer wieder gesagt hatte. Immer wieder sagte. Dann war das die Wahrheit. Wahrscheinlich. So weit die Wahrheit ihm zugänglich war. So weit er sich selber zugänglich. Und es war ihre Herablassung gewesen. Sie hatte begonnen, sich wie eine von Frauenzeitschriften gesteuerte Tusse zu benehmen. Den Mann da, wo man ihn haben wollte. Weil sie nicht allein sein hatte wollen. Weil sie. Sie setzte sich auf. Beugte sich über die Tasche. Wühlte in der Tasche. Sie verrenkte sich, ihr handy in der Tasche zu finden. Sie wusste nicht. Konnte sich nicht erinnern. Hatte keine Erinnerung, ob sie das handy abgestellt hatte. Die Frage ihr wie ein Stich durch den Leib. Und sie hatte nicht. Das display grün aufleuchtete. Sie kauerte über der Tasche. Drehte sich nach links. Verdeckte die Sicht auf die Tasche und drückte auf den Aus-Knopf. Auf dem display stiegen die bunten Luftballons auf. Das Licht erlosch. Das handy war ausgeschaltet. Sie ließ es in die Tasche zurückgleiten und lehnte sich wieder zurück. Machte die Augen zu. Ein Glück, dass niemand diese handy-Nummer hatte. Der Vater und noch ein paar Leute. Die Sydler natürlich. Und niemand sie jetzt anrufen würde. Der Vater sicher nicht. Der wurde knurrig, wenn man zu oft telefonierte. Sie hätte das alte handy behalten sollen. Im Büro und überall. Die nahmen die neue Nummer sicher nicht zur Kenntnis. Sie war für die nicht erreichbar. Und sie konnte sich vorstellen, was die Ungarin sagte, wenn jemand in der Maxingstraße anrief. Für sie. Für sie angerufen hatte. Mittlerweile mussten es ja alle begriffen haben. Aber das war notwendig gewesen. Das war im ersten Schrecken notwendig gewesen. Für den Anton nicht erreichbar zu sein. Für niemanden erreichbar zu sein. Sie hatte sich geschadet damit. Aber diese Gespräche. Wenn er ihr mit dieser Stimme. Er hatte eine Kinderstimme bekommen. Wenn er sie um ihr Verständnis. Angebettelt. Dann hatte er eine Kinderstimme gehabt. Und dass sie den kleinen Moritz um seine Wohnung bringe, wenn sie auf ihren Rechten bestehen wollte. Er hatte von ihrer Beziehung gar nicht mehr gesprochen. Er war so in seine neue Wirklichkeit verwickelt. Ihre Vergangenheit. Ihre gemeinsame Vergangenheit. Der Kapitän machte seine Ansage. Selma verstand seinen Namen nicht. Ein starkes Rauschen im Lautsprecher. Der Mann sagte, wie hoch sie flogen. Wie kalt es draußen war. Und dass sie die Verspätung nicht aufholen würden. Und dass er sich entschuldige. Dann die Wiederholung auf Englisch. Und dass man sich an Bord wohl fühlen solle. Die Stewardessen rollten ihre Wägelchen nach vorne. Eine Frau sagte, dass sie Chef de Cabin sei und empfahl den Bistro-Service und bitte, man solle das Geld abgezählt bereithalten. Wenn man etwas zu essen haben wollte. Selma verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr war das alles widerlich. Sie wollte nicht so viel angequatscht werden. Sie wollte ihre Ruhe haben. Und sie wollte keine Veränderungen. Sie konnte diese Veränderungen nicht aushalten. Die Unruhe im Bauch. Kreisend. Noch entfernt. Sie drehte die Luftdüse stärker auf. Atmete. Sie durfte das

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