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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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etwas bekommen würden, wenn sie den genauen Betrag hatten. Der Mann meinte, dass die etwas verdienen wollten. Die würden auch einen Schein wechseln. Die Stewardess fragte Selma, was sie wolle. Die Frau fragte die Stewardess, ob sie auch mit einem 20-Euro-Schein zahlen konnten. Die Stewardess wandte sich der Frau zu. Natürlich könne sie mit einem 20-Euro-Schein bezahlen. Und was sie wolle. Dann sah sie wieder Selma an. Selma bestellte Wasser und Kaffee. Der Mann bestellte das Lachssandwich und den Nudelsalat und eine kleine Flasche Schlumberger Sekt. Die Stewardess rief ihrer Kollegin hinten zu, dass sie noch ein Lachssandwich brauchte, und reichte Selma den Kaffee. Das Sandwich wurde gebracht. Der Nudelsalat war aus. Ein zweites Lachssandwich wurde bestellt. Die Bestellung wurde nach hinten weitergegeben. Das zweite Sandwich wurde gebracht. Die Stewardess schraubte den Sekt auf. Schenkte ein. Sie rechnete laut. Währenddessen. 18 Euro. Das Paar. Sie ordneten die durchsichtigen Plastikbehälter auf ihren Tischchen an. Die Sektgläser. Das Sektfläschchen. Die Wasserfläschchen. Selma wartete auf ihr Wasser. Der Mann reichte der Stewardess das Geld. Die gab das weiter. Das Wechselgeld wurde von einer anderen Stewardess zurückgebracht. Selma hob die Hand. Sie hätte noch gerne ein Wasser, sagte sie zu der Stewardess mit dem Wechselgeld. Die sagte nichts. Sie griff auf den Wagen. Hielt Selma ein Fläschchen hin. Vöslauer Mineralwasser ohne Kohlensäure. Selma nahm es. Die Frau ging gleich wieder nach hinten. Selma starrte nach vorne. Starrte vor sich hin. Das Dröhnen. Die Kehle tat ihr weh. Das laute Sprechen hatte sie angestrengt. Der Hals ausgetrocknet. Das Wasser hatte sie jetzt vorgeworfen bekommen. Sie dachte, dass das jetzt endgültig die Form einer Schweinefütterung angenommen hatte. Und dass der Vergleich mit einem Tiertransport. Und warum waren das Verluste. Warum war das ein Verlust. Es war immer bezahlte Freundlichkeit gewesen. Die Stewardessen hatten immer für ihren Lohn gelächelt. Aber die Maschinen waren nicht so voll gewesen. Nicht so voll gestopft. Und es hatte eine Vereinbarung auf Höflichkeit gegeben. Ende der 80er. Noch weit in die 90er. Da hatte man einander Platz gelassen. Da war das Gedränge um den Ausgang nicht so groß gewesen. Da hatte man sich angestellt. Da hatte man einander den Vortritt gelassen. Da war niemand dem anderen mit dem Rollkoffer über die Ferse gefahren und hatte sich nicht entschuldigt. Selma schraubte den hellblauen Plastikverschluss auf. Da hatte man auch gegen diese Art von Plastikflaschenmüll etwas sagen können. Und der Platz. Im Flugzeug. Der war objektiv kleiner. Sie konnte ihre Beine nicht mehr übereinander schlagen. Es war gar kein Platz, ein Bein am anderen vorbeizuschieben und übereinander zu legen. Das war nicht nur ihre Einbildung. Ihre Jammerei. Und es war blöd, dass ihr Alt-Werden und diese Weltverschlechterungen. Dass das parallel verlief. Und dass ihre Situation das alles noch verstärkte. Für sie. Verschärfte. Und dass es nie mehr schön für sie werden konnte. Dass sie nur zusehen konnte, wie alles weniger wurde. Sie trank Kaffee. Der Kaffee heiß. Fast zu heiß. Sie machte das Wasserfläschchen auf. Trank. Ließ das lauwarme Wasser über die Zunge rinnen. Kühlte den Gaumen. Und sie hatte nicht einmal ein Foto. Von ihm. Von ihnen. Von irgendetwas. Die Reisen. Venedig. Südamerika. Die USA. Und die kleinen Expeditionen in Österreich. Letzthin. Entdeckungsreisen des Eigenen gewesen. Das alles in diese Fotos weggeschlossen. Anton die Fotos gemacht und geordnet. Er war bei den Fotos geblieben. Hatte sich nicht entschließen können, die Fotografie aufzugeben. Hatte die Bilder in der Hand halten wollen. Hatte keinen Ausdruck haben wollen. Keine CD oder einen Speicherplatz auf der Festplatte. Er hatte feste, glatte, glänzende Bilder haben wollen und die in ein Album stecken. Bücher. Am Ende Bücher sein hatten müssen. Diese Reisen. Und nie mehr sehen würde. Sie hatte gar nicht daran gedacht. Bisher. Es war ihr bisher noch gar nicht eingefallen. Sie hielt die Flasche in der Hand. Schraubte den Verschluss zu. Stellte die Flasche hin. Trank wieder Kaffee. Sie musste das der Bandion sagen. Das auf die Liste nehmen. Von den Dingen, die sie beanspruchte. Die Fotos. Die Erinnerungen. Aber wahrscheinlich war das alles schon. Vernichtet. Weg. Weggeräumt. Und was blieb dieser Frau auch anderes übrig. Auch wenn sie es darauf angelegt hatte. Oder

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