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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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Jetzt war sie in London und sie musste hier nicht an ihn denken. Jedenfalls nicht so wie in Wien. Ihn am gleichen Ort zu wissen und überhaupt nicht. Und sie sollte sich lieber an Keith erinnern. Den Londoner Liebhaber von vor. Wie lange war das her. 25 Jahre. Das war 25 Jahre her. Ziemlich genau 25 Jahre. Und gab es diesen Mann überhaupt noch. Lief der irgendwo in London herum. Ein Paar kam ihr entgegen. Ging auf sie zu. Sie musste ausweichen. Nach links. Die junge Frau. Dunkle Augen. Jeans und ein bauchfreies Jäckchen. Ein Kopftuch über die Haare. Sie ging ein wenig vor dem jungen Mann. Der lief halb hinter ihr her. Sie sprachen. Lächelten. Lachten. Sie wandte sich ihm zurück zu. Sah ihm in die Augen. Sah ihn unter halb geschlossenen Lidern an. Einen Augenblick unverwandt. Dann schloss sie die Lider. Sie schloss die Lider über ihrem Bekenntnis und ging eilig weiter. Der junge Mann hatte inne gehalten. In den Blick versenkt, hatte er inne gehalten. Er musste der jungen Frau nacheilen. Sie ihm davongegangen. Selma schaute weg. Sie sah zu Boden. Ging selber schneller. Verliebt. Sie wollte auch verliebt sein. Warum konnte sie nicht verliebt sein. Jetzt. Und alles einfach vergessen. Hinter sich lassen. In das Verliebtsein geworfen, alles andere keine Rolle spielte. Gespielt hätte. Sie ging. Menschen auf sie zu. Dicht gedrängt. Kaum Platz auf dem Gehsteig. Sie bahnte sich ihren Weg. Wich aus. Schlüpfte in Zwischenräume. Die Hitze. Das Geräusch der vielen Gehenden. Die Autos. Die Abgase. Die Busse knapp an ihr vorbei und sie erschreckten. Für sie auf der falschen Straßenseite fuhren. War sie an der U-Bahnstation vorbeigegangen. Sie wandte sich um. Sah den Weg zurück. Ein Mann lief ihr in den Rücken. »Bloody cow.« sagte er. Er wollte an ihr vorbei. Sie wollte ausweichen. Sie stießen wieder zusammen. Der Mann war dunkelhäutig. Groß. Schlank. Er schob sie zur Seite. Er nahm sie um die Taille und schob sie zur Seite. Selma drehte sich aus seinem Griff weg. Der Mann hastete weiter. Sie stand am Gitter eines Gartenzauns. Sie hielt die Tasche an sich gepresst. Sie hätte dem Mann etwas nachrufen wollen, aber es waren schon wieder ganz andere Menschen rund um sie. Sie ging weiter. Der hatte sie aus dem Weg geschoben. Wie eine Sache. Ihr wurde heiß. Sie wurde rot im Gesicht. Die Hitze breitete sich über die Schultern nach vorne aus. Sie ging wieder schnell. Es war heiß. Aber sah man ihr an, dass sie keine Londonerin war. War das so klar. Oder machte dieser Mann das mit jeder Person. Mit jeder, die ihm im Weg war. Sie sah die Zeichen für die U-Bahn und die Straßenschilder. Holborn. Sie richtete sich auf. Ging gerader. Wich knapper aus. Ging mit nach hinten gezogenen Schultern. Sie war keine Provinzlerin. Sie kannte sich in der Welt aus. In dieser Stadt. Sie wusste, wie man sich hier verhielt. Sie musste nur das Träumen aufgeben. Sie musste auf der Fußgängerinsel in der Mitte von Southampton Row warten. Die Ampel sprang auf Grün. Die Fußgänger strömten aufeinander zu. Kurz dachte sie, sie würde in die andere Richtung mitgerissen werden. Es berührte sie aber niemand. Sie bahnte sich dann ihren Weg. Eilte auf den Eingang zur U-Bahn zu. Ging in den gekachelten Gang. Ihre Schritte mit denen der anderen hallend. Nur noch diese Schritte zu hören. Und das Reden. Alle redeten an ihren handys und gingen. In der Halle. Es gab einen Schalter für die Tickets. Menschen standen an. Sie wühlte in ihrer Tasche. Fand die Geldbörse. Löste ein Ticket am Automaten. Sie drückte nicht gleich alle Knöpfe richtig. Eine Frau drückte dann für sie. Selma wollte sich bedanken. Die Frau war aber schon mit ihrem Ticket beschäftigt. Es war nicht um Freundlichkeit gegangen. Die Frau hatte nur schnell zu ihrem Ticket kommen wollen. Selma ging zum Eingang. Steckte das Ticket in den Schlitz der Sperre. Vorsichtig. Nicht ganz sicher. Sie war nicht sicher, ob das Ticket auch angenommen wurde. Ein junger Mann sprang vor ihr über die Sperre. Er sprang vom Pfosten mit dem Ticketlesegerät und zwängte sich zwischen sie und die Sperre. Er drängte sie zurück und nahm ihr Ticket aus dem Schlitz auf der anderen Seite. Sie stand vor dem gesperrten Durchgang draußen, und der Rastafari lief drinnen davon. Mit ihrem Ticket in der Hand. Sie konnte nicht weiter. Hinter ihr sammelte sich eine Menschenschlange an. Sie musste sich nach hinten durchdrängen. Der Beamte an der Sperre rechts. Sie hatte ihn angesehen. Er hatte mit der Achsel

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