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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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winzigen Fleckchen. Zusammengekauert. Sie schaukelte sich da. Wiegte sich. Aber sie stand nicht mehr auf. Bewegte sich nicht in der Wohnung. Wartete sie. Sie schien zu warten. Eine Nervosität. Das Wiegen kein rhythmisches Vor und Zurück. Kein Einlullen. Das Schaukeln war eher ein In-Bewegung-Bleiben. Unruhe. Selma traute sich selber plötzlich nicht aufzustehen. 2 Türen von dem Raum weg. Hinter dem hellgrasgrünen Sofa mit zitronengelbem 70er-Jahre-Muster reichte der Raum weit nach hinten. Ohne Einrichtung. Die weißen Wände und der silbernglänzende Boden. Eine Tür nach rechts und der Ausgang zum Vorraum. Selma musste aufs Clo. Sie wusste, dass sie nicht musste und dass es nur eine Entschuldigung sein sollte. Um aus diesem Raum hinauszukommen. Dass sie einen wirklichen Drang entwickeln musste, damit sie sich ihre Flucht entschuldigen konnte. Sie stand auf. Sie solle sitzen bleiben, sagte die Frau. Scharf. Kurz. Was denn los sei, fragte Selma. Und sie wolle jetzt gehen. Das sei alles zu seltsam. Sie könne gar nicht hinaus, sagte die andere. Wieder ruhig. Unbeteiligt. Man könne aus dieser Wohnung nur mit dem Schlüssel. Sie müsste mit Selma mitgehen. Ihr aufsperren und von draußen die Alarmanlage ausschalten. Aber sie müssten sicher nicht lange warten. Ein Telefon klingelte in einem anderen Zimmer. Die Frau reagierte nicht. Sie setzte sich weiter nach hinten. Die Beine lang vor sich ausgestreckt. Sie lehnte sich gegen die Wand hinter ihrem Sofa. Selma sah zum Fenster hinaus. Sie ging an die Tür. Die Terrasse eingerahmt von Bäumen in großen Terracotta-Urnen. Selma wollte fragen, warum es keine Blumen gab. Warum nichts blühte. Auf der Terrasse. Aber wahrscheinlich kümmerte sich niemand darum. Schläuche führten von Urne zu Urne. Die Bäume waren an eine Bewässerungsanlage angeschlossen. Die Bewässerungsanlage war programmiert und alles lief von allein. Mit Blumen. Mit blühenden Blumen war das nicht so einfach. Da musste man dosieren. Da musste man Entscheidungen treffen. Greifen, ob die Erde noch feucht war. Oder zu feucht. Oder zu trocken. Das konnte eine Bewässerungsanlage auch. Wahrscheinlich. Man konnte sicherlich Sensoren einbauen. Das konnte man sicherlich regeln. Aber das würde mehr kosten. Da musste man sich interessieren dafür. Selma ging ganz an die Scheibe. Hinter den Bäumchen Bäume. Innen. Da, wo die Gärten der Häuser zusammenstießen hohe Bäume. Die anderen Häuser hinter den hochaufgeschossenen Büschen und den Baumkronen. Die Wohnung. Das Zimmer hier versteckt. Im Sommer jedenfalls. Die Frau warf sich auf das Sofa. Lag hingestreckt auf dem Bauch. Sie hob den Kopf. Ob Selma in London etwas mache. Was Selma in London mache. Würden die Festspiele etwas in London planen. Mit London. Und vielleicht gäbe es ja doch eine Möglichkeit, sie hineinzubringen. Sie wäre ja doch Schauspielerin. Einmal. Und das. Das Schauspielen. Das wäre wie Schwimmen. Das verlerne man doch nicht. Das verlerne man nie. Und wüsste Selma keine Möglichkeit, sie zur Bühne zurück. Das müsse man genau besprechen, sagte Selma. Sie selbst. Sie habe da keinen großen Einfluss. Den habe sie übrigens nie gehabt. Es scheine da ein Missverständnis zu geben. Selma sprach. Sie sprach mit ihrem Spiegelbild in der Glastür auf die Terrasse. Oder war das doch mehr ein Balkon. Konnte man das Terrasse nennen. Die Säulchen am Rand. Waren Terrassen mit Säulchen zu begrenzen. Selma fragte sich, warum sie nicht sagte, dass sie nichts mehr mit den Festspielen zu tun hatte. Warum gab sie das nicht zu. Ihr Spiegelbild vage. Nur an den Stellen, an denen die Bäume draußen dunkel genug, zeichneten sich Fetzen ihres Bilds ab. Von irgendwo Licht im Raum. Selma drehte sich um. Schaute sich um. Die Frau setzte sich auf. Abrupt schnellte sie vom Liegen hoch. Sie zog ihre Handtasche zu sich. Stellte sie an den Rand des Couchtischs. Sie starrte die Tasche an. Schwieg. Selma fand nichts, was gesagt werden hätte können. Die Frau saß nach vorne gesunken. Die Trägerchen ihres Kleides über die Schultern hinuntergerutscht. Das Kleid vom Busen gehalten. Der Busen. Groß. Fest. Unbewegt. Operiert. Wahrscheinlich. Oder. Wie alt war diese Frau. Wie alt konnte sie sein. Obwohl. So fest war kein normaler Busen. So prall in die Höhe. Aber vielleicht auch doch. Selma hatte das Interesse verloren. Sie war nicht mehr sicher, ob sie diese Frau kannte. Ob sie die überhaupt kannte. Sie sah die Frau genau an. Sie konnte sich nicht mehr

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