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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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Beine waren groß zu sehen. Der Oberkörper verlor sich im Bild nach oben. Das tutende Schnarren erstarb. Die Frau ging vom Vorraum in ein Zimmer voraus. Selma ging ihr nach. Die Frau ließ sich auf ein Sofa fallen. Vier solche Sofas im Raum. 70er-Jahre-Stoffmuster. Die Sofas breit und eine kleine Lehne. Hinten. Die Frau ließ ihre Sandalen fallen. Schob sich die Sandalen von den Füßen und zog die Beine an. Sie hielt ihre Beine umfangen. Sie trug einen lachsfarbenen Tanga unter dem hellblau-gelben Sommerkleid. Warum sie nun davongelaufen seien, fragte Selma. Sie setzte sich auf ein Sofa vor der Fensterwand. Die Tür zur Terrasse vor dem Fenster stand angelehnt. Warme Luft strich herein. Die Frau stand auf und schob die Tür zu. Von draußen sofort nichts mehr zu hören. Kein Ton. Langsam setzte sich ein Surren in Gang. Es brauche nicht lange, bis die Klimaanlage den Raum gekühlt habe, sagte Susanna und ging an ihren Platz zurück. Selma schaute sich um. Über der jungen Frau 3 Andy Warhols. Marilyn Monroe. Catherine Deneuve und Andy selbst. Sein Bild in der Mitte. Die Bilder groß. Originaldrucke. Wahrscheinlich. In der Ecke Module gestapelt. Die Module weiß. Die Seitenwände gewellt. Zwei Bücher im linken mittleren. Sonst die Stellflächen leer. Eine Stehlampe. Schwarzer metallisch glänzender Schaft. Schwarzer Lampenschirm. Schwarzer Samt. Am unteren Rand ein Band mit Bommeln angenäht. Schwarze kleine Bommel. Pompons. Ein weißer ovaler Couchtisch auf einem weißgrauen Afghanteppich. Der Boden grauglänzend. Silbern. Spiegelnd. Auf den Sofas Pölster. Die Farben der Polster schlugen sich mit den Farben der Sofas. Die Pölster waren auf die Warhols abgestimmt. Ob sie das hier eingerichtet habe, fragte Selma. Auf dem Couchtisch Glasschalen in den Farben der Sofas. Sie spinne wohl, antwortete die Frau. Sie saß. Umfing ihre angezogenen Beine. Sie schaukelte vor und zurück. Leicht. Sah vor sich hin. Sie sei doch keine Innendekorateurin. So etwas. Das machten Leute, denen man einen Auftrag gäbe, das zu tun. Aber es sähe doch sehr beeindruckend aus, sagte Selma. Ja, antwortete die Frau. Wenn man sich von solchen Sachen beeindrucken lasse. Und es sei doch wirklich scheißgleichgültig, wie es aussähe. Irgendwie sähe es doch immer aus. Da müsse man sich nicht darum kümmern. Oder sei sie eine von denen. Eine von diesen Martha-Stewart-Hausmütterchen. Die das interessiere. Selma setzte sich gerade auf. Auf dem niedrigen Sofa gab es keine Möglichkeit sich anzulehnen. Was dagegen einzuwenden wäre, sich für die Einrichtung einer Wohnung zu interessieren. Und ganz offensichtlich wäre das hier doch eine Ansammlung von Designerstücken. Selma wurde wütend. Sie müsste doch fragen, was der Sinn dieser Entführung gewesen wäre. Die Frau schaukelte sich auf dem Sofa. Sie hätte ja nicht mitkommen müssen, sagte sie. »Frau Dr. Brechthold. Sie hätten ja nicht mitkommen müssen.« »Und jetzt sagen Sie mir auch noch, dass mich niemand gezwungen habe. Ja?« Selma begann zu lachen. Die Argumente kamen immer mit. Es war zu komisch. Sie hatte gedacht. Sie hatte erwartet. Etwas ganz anderes. Etwas vollkommen anderes. Und dann kam der alte Satz. Sie stand auf. »O.k.«, sagte sie. Dann ginge sie gleich am besten. Das ginge jetzt nicht gleich, sagte die Frau. Sie stand auf. Sie könne sie jetzt nicht allein lassen. Und Selma würde das nicht verstehen. Selma könnte die Situation nicht verstehen. Sie solle nur da sitzen bleiben. Es würde auch nicht lang dauern. Es ginge nur darum, darauf zu warten, dass jemand käme. Und Susanna wolle nicht allein sein. Bis dahin. Und Selma könne ihre Schuld an Susanna so abtragen. Das wäre das Wenigste, was Selma machen könne, dafür, was sie Susanna angetan habe. Beziehungsweise nicht angetan. Nämlich Hilfe. Die hätte Selma ihr nicht gegeben. Selma wäre Susanna nicht zu Hilfe gekommen. Und dabei wäre es so einfach gewesen. Für Selma. Selma saß da. Sie wusste nicht, wovon diese Frau sprach. Sie konnte sich an keine Situation erinnern, in der sie miteinander zu tun gehabt hätten. Sie konnte sich an Gespräche über diese Frau erinnern. Über ihr Aussehen. Über ihr Können. Über das Interesse vom Intendanten an ihr. Über ihre Zuverlässigkeit. Die war schon damals fraglich gewesen. Und wenn Selma diese Frau genau. Wenn sie genau hinsah. Was war da los. Nichts passte zusammen. Die Wohnung. Wie diese Frau dasaß. Auf diesen kleinen Raum beschränkt. Die Frau saß auf einem

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