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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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als gute Menschen geboren worden und ihr ganzes Leben gut geblieben waren? Hat es je jemanden gegeben, der nicht irgendwann gerettet werden musste?
      Ich verfolgte diesen Gedanken und kehrte in die Küche zurück, um mir noch mehr Schinken zu holen, als Asher die Treppe herunterkam.
      »Ah, da bist du. Ich dachte, du hättest dich in deinem Zimmer versteckt.« Er grinste und kassierte dafür eine freche Grimasse von mir,   »Weil ich es sage!« Ottavios Gebrüll drang aus der Bibliothek zu uns, und Asher und ich drehten uns beide zur Tür um, weil wir damit rechneten, dass er jeden Moment hinausstürmen würde. Wir hörten Rivers viel leisere Stimme, ohne dass wir sie verstehen konnten, und dann: »Du warst schon immer unverständliches Gebrabbel, das ich nicht verstand, vermutlich Alt-Italienisch, bla-bla und sieh doch, wohin es dich geführt hat!«
      Asher schickte ein Lächeln Richtung Tür und wandte sich dann mir zu. »Leck dir das Schinkenfett von den Fingern, schnapp dir deine Jacke und komm mit. Zeit für eine Lektion.«   Ich hob die Brauen. »Bist du sicher, dass du der Teufelsbrut noch mehr Magie beibringen willst? Hast du keine Angst, das ich dich in einen Volltrottel verwandle? Du siehst doch, was ich schon mit ihm angestellt habe.« Ich deutete mit einer Kopfbewegung auf die verschlossene Tür.
      »Du weißt genau, dass es keinen Teufel gibt und demzufolge auch keine Teufelsbrut«, wies Asher mich zurecht. Er zog mich zur Haustür und hielt mir meine Jacke hin. »Außerdem fürchte ich, dass Ottavio schon so war, lange bevor du aufgetaucht bist.«
      Mir war klar, dass ich das eigentlich nicht fragen sollte, aber hat mich diese Einsicht jemals aufgehalten? »Seit wann bist du mit River zusammen?«
      Er hielt mir die Haustür auf und wir gingen hinaus in einen Morgen, der zwar noch nicht warm war, aber zumindest nicht mehr so eisig.
      »Ich kenne River seit etwa zweihundert Jahren«, sagte er. »Und ich liebe sie schon seit dem ersten Tag. Aber sie hat in mir eher einen Bruder gesehen.«
      Ich rümpfte die Nase.
      »Ganz genau«, erwiderte Asher und führte mich auf den Hinterhof. »Wir haben uns zwischendurch immer mal wieder aus den Augen verloren, vor allem während des Zweiten Weltkriegs. Aber direkt nach dem Krieg habe ich sie in Italien wiedergefunden. Und seitdem sind wir zusammen.« Er machte ein nachdenkliches Gesicht. »Sechsundsechzig Jahre. So lange hat bei mir bisher noch keine Beziehung gehalten.«
      Ich lachte, aber dann fiel mir wieder ein, dass Asher Jude war und während des Krieges in Polen gelebt hatte. Was mochte er erlebt haben?
      »Also gut«, sagte er, nun wieder ganz der Lehrer. »Heute üben wir Beschwörungen. Wie du hoffentlich inzwischen weißt, ist die Konzentration ein wichtiger Bestandteil erfolgreicher Magie. Je schneller du dich in einen reinen fokussierten Zustand versetzen kannst, desto schneller hast du deine Magie zur Verfügung - bis sie dir in Fleisch und Blut übergegangen ist.« »Okay.«
      »Und jetzt such dir hier etwas - irgendwas -, auf das du dich konzentrieren kannst«, ordnete er an.
      Ich sah mich um und entdeckte haufenweise feuchte Blätter. Und ... ah, ein Zweig. Ich bückte mich, um ihn aufzuheben, und entdeckte daneben eine Hühnerfeder. Auf eine Feder zu fokussieren war irgendwie cool und indianermäßig, und so hob ich sie auf und zeigte sie Asher.
      »Schön«, sagte er. »Nimm die Feder und konzentriere dich auf sie, wie wir es dich gelehrt haben.«
      »Und dann?«
      »Dann erschaffst du eine Beschwörung, die diese Walnuss knackt.« Er öffnete die Hand und zeigte mir eine der Quadrillionen Walnüsse, die wir im letzten Herbst geerntet hatten. Ich hatte wochenlang braune Finger gehabt. Die meisten Nüsse hatten wir gleich von der Schale befreit, aber nicht alle.
      »Ich soll die Nuss knacken?« Sie war oval und dunkel, trocken und runzlig. Im Herbst war sie noch grün gewesen und ihre Hülle hatte eine ähnliche Struktur gehabt wie eine Orange.
      »Ja.«
      Ich öffnete die Hand und Asher legte die Nuss hinein. Eine Beschwörung zum Knacken einer Walnuss. Im ersten Moment war mein Kopf wie leer gefegt und ich versuchte, mir meine Panik nicht anmerken zu lassen.
      »Benutz die Feder«, erinnerte mich Asher sanft.
      Ach ja. Sie war klein, flauschig und braun-weiß gesprenkelt.
       Nicht so eindrucksvoll wie etwa eine Falkenfeder. Aber ich konzentrierte mich trotzdem auf sie und betete, dass eine

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