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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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selbstbewusste Person sein, die niemandem zur Last fiel, die man in die Welt hinausschicken konnte, weil nur Gutes vor ihr lag. Aber ich musste mir eingestehen, dass River recht hatte - ich war noch nicht stark genug, um allein in die Welt hinauszuziehen. Ich war noch nicht gefestigt genug, um gegen die   Dunkelheit zu kämpfen und allen Versuchungen zu widerstehen.
       »Meinetwegen«, knurrte ich und sie tätschelte mir zufrieden das Knie.
      »Aber ich möchte dir einen Vorschlag machen«, sagte sie. Wenn es ein weiterer Meditationszirkel war, würde ich ausflippen. »Ich schlage vor, dass du dir ein größeres Projekt suchst, das dich beschäftigt«, sagte sie. »Ich weiß, dass du lernst, und das ist gut. Aber ich habe festgestellt, dass es auch eine gute Idee ist, sich auf etwas Größeres zu konzentrieren, etwas, das außerhalb deiner gewohnten Tätigkeiten liegt.«
      Ich runzelte die Stirn. »Was zum Beispiel? Makramee?« »Nein. Etwas Größeres. Etwas wie ...« River machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ein neues Pferd ausbilden? Wir könnten extra für dich eines kaufen. Oder ... der Stall müsste gestrichen werden. Wir haben Leitern und alles, was du sonst noch brauchst. Du müsstest nur vorher die alte Farbe abkratzen. Oder wir könnten dir ein Stück Land geben, dann kannst du deinen eigenen Garten anlegen.« Diese Vorstellung schien ihr zu gefallen. »Zum Beispiel einen Kräutergarten mit allem, was du gern magst. Wir könnten einen Springbrunnen in die Mitte bauen. Und wenn alles fertig ist, wäre es auch warm genug zum Pflanzen. Das würde dir sicher Spaß machen.«
      Ich bemühte mich sehr, bei diesen Vorschlägen nicht den Finger in den Hals zu stecken. River versuchte ja nur zu helfen. »Okay, denk darüber nach«, sagte sie und stand auf. »Hier noch mal die Zusammenfassung: Fortgehen, nein, Projekt, ja. Kapiert?«
      »Kannst du mir das aufschreiben?«
      Sie beugte sich lächelnd über mich und küsste mir auf die Wange. »Ich werde es dir auf den Hintern tätowieren, sobald du schläfst.«
      »Da kann ich es aber nicht sehen!«, rief ich ihr nach, als sie mein Zimmer verließ. Ich hörte sie kichern, als sie meine Tür hinter sich zuzog, und dann war ich allein mit meinen Gedanken.
      Und ich hatte ganz vergessen, sie darüber spekulieren zu lassen, wieso sich Reyn und Joshua so hassten.
     

10
 
      Es gibt Geschichtsbücher über uns Unsterbliche. Gelegentlich findet eines davon seinen Weg in eine Auktion seltener Bücher, wo es dann als faszinierendes Werk der Fantasie betrachtet wird. Es ist allgemein bekannt, dass sich etliche dieser Bücher in den geheimen Bibliotheken der ältesten Klöster der Welt befinden. Das Witzige daran ist, dass die Mönche wissen, dass alles in diesen Büchern wahr ist. Aber sie reden nicht darüber, weil sie erst herausfinden wollen, wie sie uns mit Gott und dem Leben nach dem Tod und der Erlösung und all diesen Dingen in Einklang bringen können. Vielleicht erfahren wir es eines Tages.
      Im Laufe der Jahrhunderte bin ich auf etliche Bücher gestoßen, die von Unsterblichen geschrieben wurden. Natürlich gibt es auch viele Unsterbliche, die aktuelle Bestseller schreiben oder Kochbücher oder Kinderbücher oder sonst was. (Nein, ich werde keine Namen nennen, obwohl sie wirklich jeder kennt.) Aber ich meine Bücher, die von Unsterblichen handeln. Ich selbst habe nie so ein Buch über Unsterbliche gelesen. Aber das lag auch an meinem Ich-stecke-den-Kopf-in-den-Sand-Plan, an den ich mich so lange gehalten habe.
      Aber jetzt nicht mehr! Die neue, vielseitig interessierte Nastasja saß an diesem Morgen im Arbeitszimmer und kämpfte sich durch einen dicken Wälzer mit dem Titel »Das Haus Morcroft.« Das Buch war von 1679, sehr schlecht gedruckt, aber wunderschön in Leder gebunden, das einst sogar mit Blattgold verziert gewesen war. Ich mühte mich durch den Text und wünschte nur, dass man sich schon hundert Jahre früher auf Rechtschreibregeln geeinigt hätte, als es tatsächlich der Fall gewesen war.
      Nachdem ich die öde und selbstverliebte Geschichte der erlauchten Morcrofts (von denen ich im späten 18. Jahrhundert sogar einen getroffen hatte - totaler Langweiler) überflogen hatte, wurde das Buch interessanter und entwickelte sich zu einer allgemeineren Geschichte der Unsterblichen. Dieser Typ, Sir Thomas Morcroft, behauptete, seine Familie fast zweitausend Jahre zurückverfolgen zu können, aber natürlich wurden die frühesten

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