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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
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Laboratoriumsassistenten aufsuchte.
    Vor der Türe tuschelte man noch eine Verabredung; natürlich musste Tess den Sprecher machen. „Ist Herr Dr. Riemenschneider zuhause?“, schallte eine helle Mädchenstimme durch den Flur. Darüber schon mussten die beiden männlichen Begleiter ein Gelächter im Hintergrund unterdrücken. Solch Stimme in diesen Räumen! Herr Riemenschneider galt in der ganzen Stadt als eingefleischter Junggeselle.
    Und dann kam er; die hohe, schlanke, aber bescheiden geneigte Gestalt rannte in langen Schritten durch den altmodischen Flur. In einem solchen mittelalterlichen Patrizierhause konnte ja nur Riemenschneider wohnen. Die hohe, weiße Stirne, die gütigen Augen hinter der goldenen Brille, der kurz gerundete, blonde Vollbart, das alles gab es sicher nur einmal in dieser Sonnen und Nivea gebräunten Renommierwelt. Nein, ein Sportfex, ein Pigmentgigerl war er nicht.
    „ Was gibt mir – hm – die Ehre?“, fragten die leise bebenden Lippen, während eine liebreiche Handbewegung zum Nähertreten einlud.
    „ Perikles!“, hauchte Tess zur Seite und fand mühsam gedämpfte, sehr entschiedene Zustimmung.
    „ Wir haben ihnen etwas mitzuteilen. Herr Doktor“, fiel die Sprecherin schnell ein und ein Strom von Freude, von lockender Verheißung brach mit ihren Worten zugleich in das niedrige, etwas düstere Gemach ein.
    „ Ja??“, fragte er, fast ungläubig vor zaghafter Bescheidenheit.
    „ Zunächst erst mal eine Frage, Herr Doktor: Kommen sie gar nicht mehr zu uns ins Labor?“
    Der Gefragte wurde ein wenig verlegen. „Sehen sie, die Sache ist die:“ Tess warf ihren Kameraden einen Blick zu, schnellte aber sofort wieder herum. „An ihrer Stelle sind zwei neue Herren gekommen; wissen sie darum?“
    Herr Riemens chneider rückte etwas unbehaglich auf seinem Stuhl.
    „ Verzeihen sie. Herr Doktor, wir wollen sie nicht quälen! Wir müssen nur das eine wissen: Hat der Geheimrat vorher mit ihnen gesprochen?“
    „ Gesprochen? In dem Sinne nun ja – wir haben eine Auseinandersetzung gehabt.“
    „ Ach so! Und im Laufe dieser Auseinandersetzung – wir wollen uns ja nicht einmischen – sind sie – hm – ‘‘aus freien Stücken’’ zurückgetreten?“
    „ Ja, das heißt, Herr Geheimrat Sertorius hat mir – hm – etwas anderes in Aussicht gestellt.“
    „ So, so! In Aussicht gestellt? In bestimmter kurzer Frist? In bindender Form??“
    „ Nun ja, so ganz substanziiert ...“
    „ War’s noch nicht?“ Tess warf einen flammenden Blick nach der Seite ihrer Kameraden. Die drei erhoben sich wie auf ein Kommando. „Also es ist so, meine Herren, wie wirs uns dachten“, rief Tess empört. „Sertorius hat sich gerächt!“
    Riemenschneider fuhr auf, zornig glänzten seine Brillengläser. „Nein, so kann ich das doch nicht hinstellen! Herr Geheimrat Sertorius ist …“ „Ein sehr tüchtiger Gelehrter“, fiel Tess ein, „aber ein recht engstirniger Mensch.“
    „ Ich verdanke ihm sehr viel“, stellte Riemenschneider dagegen fest.
    „ Kenntnisse, Herr Dokter! Das ist aber nicht viel, jedes gute Lehrbuch kann sie uns vermitteln.“
    „ Aber das persönliche, lebendige Wort, Fräulein von Rechberg!“
    „ Hat er nicht, lieber Herr Doktor! Sein Vortrag ist sehr unpersönlich, ‘‘akademisch’’, hochmütig. Wie der ganze Mensch!“
    „ Aber – aber – Herr Geheimrat ist doch …“
    Tess wurde es in diesem Augenblick unbehaglich zumute, hatte sie sich nicht etwas verrannt? Eine Verlegenheit herbeigeführt, die sie nicht wieder lösen konnte? – Da hörte sie nebenan hinter der Türe, die nicht ganz geschlossen war. Laute in prachtvollem, unverfälschtem Schwäbisch: „Hermannle, bringe Se i de Küchle, mir kenne jetzt Kaffee trinke !“
    Der schlanke, vornehme Herr Doktor lächelte ganz fein, ein klein wenig verlegen. Das war seine Mutti. Tess wurde rot für ihn, aber eine ganz warme Freude stieg in ihr auf und – aller Mut kehrte ihr wieder.
    „ Ha, wir wollen uns nicht über den Wert oder Unwert dieses Herrn ereifern, da wir nicht die Waage besitzen, auf der Vorzüge so subtiler Art noch einen Ausschlag gäben.“
    Die beiden Studenten lachten unterdrückt, aber sehr ausgiebig.
    „Für uns“, fuhr die Sprecherin fort, „kommt nur das eine in Betracht: Sertorius hat uns unseren Lehrer genommen – aus rein persönlichen Motiven – die eigentliche Ursache war ich, war meine Frechheit, also fühle ich mich veranlasst, dagegen zu protestieren.“ Tess erhob sich, die

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