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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
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beiden Begleiter sprangen sofort mit auf. „Hiermit sprechen wir ihnen, Herr Doktor – wir, das heißt das ganze Laboratorium – unser uneingeschränktes Vertrauen aus und wir bitten sie …“
    Eine kleine Pause. Alle Augen wandten sich gespannt auf die Sprecherin.
    „Wir bitten sie, sich hier an unserer Universität zu habilitieren und …“
    Die Augen der beiden Studenten leuchteten auf, stürmisch ergriffen sie die Hände des geliebten Lehrers, der eine die rechte, der andere die linke, und drückten sie überschwänglich.
    Riemenschneider wurde rot wie ein Bub, schluckte und druckste und stammelte mühsam heraus: „Aber das geht doch nicht so von …“
    „ Von heute auf morgen nicht, Herr Doktor“, rief Tess und nahm ihrerseits eine der Hände des lieben Kerls. „Aber es geht! Wir werden das Nötige in die Wege leiten. Sofort! – Kommen sie, meine Herrn!“
    Wie ein Wirbelwind stürzte das Mädchen hinaus. Die beiden Herrn folgten ihr so schnell, dass der also Gefeierte gar keine Zeit mehr fand, die Bedenken, die sich gegen solches Glück bergehoch in seiner bescheidenen Seele auftürmten, an den Mann zu bringen.
     
    Müde kam Tess nach Hause, aber stolz und leuchtenden Auges; es war ihr gelungen, was sie sich vorgenommen hatte, die vielen Wege hatten sich gelohnt. ‘‘Seine Zukunft ist gesichert!’’ Tief aufseufzend wollte sie sich auf ihren Teppich sinken lassen, auf dem sie sich ein orientalisches Lager eingerichtet hatte. Sie blinzelte nach ihrem Schreibtisch hinüber, über den die Spätnachmittagssonne einen leuchtenden Streifen zog. Staub wischen müsste ich, o ja! Ich weiß. Der Staub mahnt mich, dass ich noch Pflichten habe. Diese Pflichten versäume ich, zu gerne versäume ich sie. An dem Maße, wie gern ich sie versäume, kann ich ermessen, wie sehr ich diese Ruhe verdient habe und wie gut mir das Faulenzen jetzt schmecken wird.
    So philosophierte sich das Mädchen allmählich zum Boden hinunter . Sie kniete schon im tiefen Smyrnateppich, als ihr träumender Blick noch einmal auf den Rand des Schreibtisches fiel. Jäh riss sie die Augen auf. Was ist das? Ein Brief? – Zwei Briefe? Noch konnte sie keine Schrift lesen, aber das Format des einen kannte sie. Tief holte sie Luft, ehe sie aufstand. Der Vater schrieb so selten und fast immer hatte es Abneigung, Kampf und bitteren Schmerz im Gefolge.
    Fast schuldbewusst schlich sich Tess zum Schreibtisch und nahm den großen Brief auf; in umständlicher, etwas zittriger Schrift, in riesigen Buchstaben stand da:
     
     
    An Fräulein
    Marie-Therese von Rechberg-Leudelfingen
     
     
    Auch die Straße , Hausnummer, Stockwerk – keine Abkürzung. Genau, wie er sprach! An dem harten Klopfen ihres Pulses bis zum Halse hinauf spürte sie, was dieser Brief ihr bringen würde. Sie griff nach dem Messer – legte es wieder hin – ließ auch den Brief wieder fallen.
    Und der andere? – Schöne, etwas ungelenke Schrift, schäbiges Papier. Poststempel? – Derselbe! Von zuhause, das könnte – Franz? Kann nur Franz Sellentin sein!
    Tess wurde rot, wollte den zweiten Brief aufreißen und – ließ auch ihn wieder sinken. Nein, erst muss ich wissen, was Vater schreibt. Sie nahm das silberne Messer, anders durfte man Vaters Briefe nicht öffnen. ‘‘Ruhe!’’, gebot sie sich während des Aufschneidens. Ihr Mund kräuselte sich zu einem Lächeln, doch nur der Mund! Im Herzen rief es: ‘‘Lasst alle Hoffnung draußen!’’
    Sie las und brach stöhnend in sich zusammen. „Nicht heulen! Nicht heulen!“, schrie sie sich zu. Lange lag sie verkrampft und verkrümmt in dem Teppich. Sie biss sich in den Arm und konnte es doch nicht aufhalten: Laut und gellend schrie sie auf. Und gleich war die gute Tante Amelie bei ihr, warf sich zu ihr in den Teppich und hielt sie in den Armen.
     
     
     
    Tess richtete sich auf die Knie auf und sah die fremde Frau mit großen tränennassen Augen an. „Mutter! Mutter!“, rief sie mit erstickter Stimme. „Bist du meine Mutter, dass du so gut zu mir bist?“
    Tante Amelie zog das weinende Häufchen an sich, nahm sie fest in den linken Arm und koste sie mit der Rechten wie ein Kind. „ Bisch guet! Bisch ruhig, mei Liebe! Mei Herzle!“ Einen Blick warf sie auf den großen Brief, der neben ihnen auf dem Teppich lag, da wusste sie genug. „ Hat der Vadder widder geschriewe? Aach, gar net dran denke! – Du bisch groß – du bisch klug – musst das all vergesse!“
    Die gute Amelie heulte mit, zog aber mit starken

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